Innerer Burghof, umgeben von reichen phantastischen Gebäuden des Mittelalters
Chorführerin
9127Vorschnell und thöricht, ächt wahrhaftes Weibsgebild!
Vom Augenblick abhängig, Spiel der Witterung,9128 Witterung, ] 2 HWitterung C.1 4  (II aa)
Des Glücks und Unglücks, keins von beiden wißt ihr je
9130Zu bestehn mit Gleichmuth. Eine widerspricht ja stets
Der andern heftig, überquer die andern ihr;
In Freud’ und Schmerz nur heult und lacht ihr gleichen Ton’s.
Nun schweigt! und wartet horchend was die Herrscherin
Hochsinnig hier beschließen mag für sich und uns.
Helena
9135Wo bist du Pythonissa? heiße wie du magst,
Aus diesen Gewölben tritt hervor der düstern Burg.
Gingst etwa du, dem wunderbaren Heldenherrn
Mich anzukündigen, Wohlempfang bereitend mir,
So habe Dank und führe schnell mich ein zu ihm;
9140Beschluß der Irrfahrt wünsch’ ich, Ruhe wünsch’ ich nur.9140 ich, ] C.1 4ich. C.2α 4 C.3 4  (IV a)
Chorführerin
Vergebens blickst du, Königin, allseits um dich her;
Verschwunden ist das leidige Bild, verblieb vielleicht
Im Nebel dort, aus dessen Busen wir hieher,
Ich weiß nicht wie, gekommen, schnell und sonder Schritt.
9145Vielleicht auch irrt sie zweifelhaft im Labyrinth
Der wundersam aus vielen einsgewordnen Burg,
Den Herrn erfragend fürstlicher Hochbegrüßung halb.
Doch sieh, dort oben regt in Menge sich allbereits
In Galerien, am Fenster, in Portalen rasch
9150Sich hin und her bewegend viele Dienerschaft;9150 Dienerschaft; ] 2 HDienerschaft, C.1 4  (II aa)
Vornehm-willkommnen Gastempfang verkündet es.
Chor
Auf geht mir das Herz! o, seht nur dahin9152 Auf geht ] 2 HAufgeht C.1 4  (II aa)
Wie so sittig herab mit verweilendem Tritt
Jungholdeste Schaar anständig bewegt
9155Den geregelten Zug. Wie? auf wessen Befehl
Nur erscheinen gereiht und gebildet so früh,
Von Jünglingsknaben das herrliche Volk?
Was bewundr’ ich zumeist! Ist es zierlicher Gang,
Etwa des Haupts Lockhaar um die blendende Stirn,
9160Etwa der Wänglein Paar, wie die Pfirsiche roth
Und eben auch so weichwollig beflaumt?
Gern biß ich hinein, doch ich schaudre davor,
Denn in ähnlichem Fall, da erfüllte der Mund
Sich, gräßlich zu sagen! mit Asche.
9165Aber die schönsten
Sie kommen daher;
Was tragen sie nur?
Stufen zum Thron,
Teppich und Sitz,
9170Umhang und zelt-
artigen Schmuck,
Über überwallt er,
Wolkenkränze bildend,
Unsrer Königin Haupt,
9175Denn schon bestieg sie
Eingeladen herrlichen Pfühl.
Tretet heran
Stufe für Stufe
Reihet euch ernst.
9180Würdig, o würdig, dreyfach würdig
Sey gesegnet ein solcher Empfang!
Alles vom Chor ausgesprochene geschieht nach und nach.
Faust Nachdem Knaben und Knappen in langem Zug herabgestiegen, erscheint er oben an der Treppe in ritterlicher Hofkleidung des Mittelalters und kommt langsam würdig herunter.
Chorführerin
ihn aufmerksam beschauend
Wenn diesem nicht die Götter, wie sie öfter thun,
Für wenige Zeit nur wundernswürdige Gestalt,
Erhabnen Anstand, liebenswerthe Gegenwart
9185Vorübergänglich liehen; wird ihm jedesmal
Was er beginnt gelingen, sey’s in Männerschlacht,
So auch im kleinen Kriege mit den schönsten Frau’n.
Er ist fürwahr gar vielen andern vorzuziehn,
Die ich doch auch als hochgeschätzt mit Augen sah.
9190Mit langsam-ernstem, ehrfurchtsvoll gehaltnem Schritt
Seh ich den Fürsten; wende dich o Königin!
Faust
herantretend, einen Gefesselten zur Seite
Statt feyerlichsten Grußes, wie sich ziemte,
Statt ehrfurchtsvollem Willkomm bring ich dir9193 ehrfurchtsvollem ] ehrfurchtsvollem 2 Herfurchtsvollem C.1 4ehrfurchtsvollem C.2α 4 C.3 4  (I a)
In Ketten hartgeschlossen solchen Knecht,
9195Der Pflicht verfehlend mir die Pflicht entwand.
Hier kniee nieder! dieser höchsten Frau
Bekenntniß abzulegen deiner Schuld.
Dieß ist, erhabne Herrscherin, der Mann
Mit seltnem Augenblitz vom hohen Thurm
9200Umherzuschaun bestellt, dort Himmelsraum
Und Erdenbreite scharf zu überspähn,
Was etwa da und dort sich melden mag,
Vom Hügelkreis in’s Thal zur festen Burg
Sich regen mag, der Heerden Woge sey’s,
9205Ein Heereszug vielleicht; wir schützen jene,
Begegnen diesem. Heute, welch Versäumniß!9206 welch ] welch 2 III H.2:1welch’ 2 III H.3a:2 2 H C.1 4  (I b)
Du kommst heran, er meldet’s nicht, verfehlt
Ist ehrenvoller schuldigster Empfang
So hohen Gastes. Freventlich verwirkt
9210Das Leben hat er, läge schon im Blut
Verdienten Todes; doch nur du allein
Bestrafst, begnadigst, wie dir’s wohl gefällt.
Helena
So hohe Würde wie du sie vergönnst,
Als Richterin, als Herrscherin, und wär’s
9215Versuchend nur, wie ich vermuthen darf;
So üb’ ich nun des Richters erste Pflicht
Beschuldigte zu hören. Rede denn.
Thurmwärter Lynceusvor 9218 Thurmwärter ] 2 III H.45a C.2α 4 C.3 4Thurmwärter, C.1 4  (IV b)
Laß mich knieen, laß mich schauen,
Laß mich sterben, laß mich leben,
9220Denn schon bin ich hingegeben
Dieser gottgegebnen Frauen.
Harrend auf des Morgens Wonne,
Östlich spähend ihren Lauf,
Ging auf einmal mir die Sonne
9225Wunderbar im Süden auf.
Zog den Blick nach jener Seite,
Statt der Schluchten, statt der Höh’n9227 Höh’n ] C.1 4Höh’n, C.2α 4 C.3 4  (IV a)
Statt der Erd- und Himmelsweite,
Sie die Einzige zu spähn.
9230Augenstrahl ist mir verliehen
Wie dem Luchs auf höchstem Baum,
Doch nun mußt’ ich mich bemühen
Wie aus tiefem düsterm Traum.
Wüßt’ ich irgend mich zu finden?
9235Zinne? Thurm? geschloßnes Thor?9235 geschloßnes ] C.1 4geschloss’nes C.2α 4 C.3 4  (IV a)
Nebel schwanken, Nebel schwinden
Solche Göttin tritt hervor!
Aug’ und Brust ihr zugewendet
Sog ich an den milden Glanz,
9240Diese Schönheit wie sie blendet
Blendete mich Armen ganz.
Ich vergaß des Wächters Pflichten,
Völlig das beschworne Horn,
Drohe nur mich zu vernichten,
9245Schönheit bändigt allen Zorn.
Helena
Das Übel das ich brachte darf ich nicht
Bestrafen. Wehe mir! Welch streng Geschick9247 Welch ] Welch 2 HWelch’ C.1 4  (I b)
Verfolgt mich, überall der Männer Busen
So zu bethören, daß sie weder sich
9250Noch sonst ein Würdiges verschonten. Raubend jetzt,
Verführend, fechtend, hin und her entrückend;
Halbgötter, Helden, Götter, ja Dämonen,
Sie führten mich im Irren her und hin.
Einfach die Welt verwirrt’ ich, doppelt mehr,
9255Nun dreyfach, vierfach bring’ ich Noth auf Noth.
Entferne diesen Guten, laß ihn frei;
Den Gottbethörten treffe keine Schmach.
Faust
Erstaunt o Königin, seh’ ich zugleich
Die sicher Treffende, hier den Getroffnen;
9260Ich seh’ den Bogen, der den Pfeil entsandt,
Verwundet jenen. Pfeile folgen Pfeilen
Mich treffend. Allwärts ahn’ ich überquer
Gefiedert schwirrend sie in Burg und Raum.
Was bin ich nun? Auf einmal machst du mir
9265Rebellisch die Getreusten, meine Mauern
Unsicher. Also fürcht’ ich schon, mein Heer
Gehorcht der siegend unbesiegten Frau.
Was bleibt mir übrig? als mich selbst und alles,
Im Wahn das Meine, dir anheim zu geben.
9270Zu deinen Füßen laß mich, frei und treu,
Dich Herrin anerkennen, die sogleich
Auftretend sich Besitz und Thron erwarb.
Lynceus
mit einer Kiste und Männer die ihm andere nachtragen
Du siehst mich, Königin, zurück!
Der Reiche bettelt einen Blick,
9275Er sieht dich an und fühlt sogleich
Sich bettelarm und fürstenreich.
Was war ich erst? was bin ich nun?
Was ist zu wollen? was zu thun?
Was hilft der Augen schärfster Blitz!
9280Er prallt zurück an deinem Sitz.
Von Osten kamen wir heran
Und um den Westen war’s gethan;
Ein lang und breites Volksgewicht,
Der erste wußte vom letzten nicht.
9285Der erste fiel, der zweyte stand,
Des dritten Lanze war zur Hand;
Ein jeder hundertfach gestärkt,
Erschlagne Tausend unbemerkt.
Wir drängten fort, wir stürmten fort,
9290Wir waren Herrn von Ort zu Ort;
Und wo ich herrisch heut befahl
Ein andrer morgen raubt’ und stahl.
Wir schauten, – eilig war die Schau;
Der griff die allerschönste Frau,
9295Der griff den Stier von festem Tritt,
Die Pferde mußten alle mit.
Ich aber liebte zu erspähn
Das Seltenste was man gesehn,
Und was ein andrer auch besaß,
9300Das war für mich gedörrtes Gras.
Den Schätzen war ich auf der Spur,
Den scharfen Blicken folgt’ ich nur,
In alle Taschen blickt’ ich ein,
Durchsichtig war mir jeder Schrein.
9305Und Haufen Goldes waren mein,
Am herrlichsten der Edelstein:
Nun der Smaragd allein verdient
Daß er an deinem Herzen grünt.
Nun schwanke zwischen Ohr und Mund
9310Das Tropfeney aus Meeresgrund;
Rubinen werden gar verscheucht,
Das Wangenroth sie niederbleicht.
Und so den allergrößten Schatz
Versetz’ ich hier auf deinen Platz,
9315Zu deinen Füßen sey gebracht
Die Erndte mancher blut’gen Schlacht.
So viele Kisten schlepp’ ich her,
Der Eisenkisten hab’ ich mehr;
Erlaube mich auf deiner Bahn
9320Und Schatzgewölbe füll’ ich an.
Denn du bestiegest kaum den Thron,
So neigen schon, so beugen schon
Verstand und Reichthum und Gewalt
Sich vor der einzigen Gestalt.
9325Das alles hielt ich fest und mein,
Nun aber lose, wird es dein,
Ich glaubt’ es würdig, hoch und baar,
Nun seh’ ich, daß es nichtig war.
Verschwunden ist was ich besaß,
9330Ein abgemähtes welkes Gras:
O gib mit einem heitern Blick
Ihm seinen ganzen Werth zurück!
Faust
Entferne schnell die kühn erworbne Last,
Zwar nicht getadelt aber unbelohnt.
9335Schon ist Ihr alles eigen was die Burg
Im Schoos verbirgt, Besondres Ihr zu bieten
Ist unnütz. Geh und häufe Schatz auf Schatz
Geordnet an. Der ungeseh’nen Pracht
Erhabnes Bild stell’ auf! Laß die Gewölbe
9340Wie frische Himmel blinken, Paradiese
Von lebelosem Leben richte zu.
Voreilend ihren Tritten laß beblümt
An Teppich Teppiche sich wälzen, ihrem Tritt
Begegne sanfter Boden, ihrem Blick,
9345Nur göttliche nicht blendend, höchster Glanz.
Lynceus
Schwach ist was der Herr befiehlt,
Thut’s der Diener, es ist gespielt:
Herrscht doch über Gut und Blut
Dieser Schönheit Übermuth.
9350Schon das ganze Heer ist zahm
Alle Schwerter stumpf und lahm,
Vor der herrlichen Gestalt
Selbst die Sonne matt und kalt,
Vor dem Reichthum des Gesichts
9355Alles leer und alles nichts.
ab
Helena
zu Faust
Ich wünsche dich zu sprechen, doch herauf
An meine Seite komm! der leere Platz
Beruft den Herrn und sichert mir den meinen.
Faust
Erst knieend laß die treue Widmung dir
9360Gefallen, hohe Frau; die Hand die mich
An deine Seite hebt laß mich sie küssen.
Bestärke mich als Mitregenten deines
Gränzunbewußten Reichs, gewinne dir
Verehrer, Diener, Wächter all’ in Einem.
Helena
9365Vielfache Wunder seh’ ich, hör’ ich an,
Erstaunen trifft mich, fragen möcht’ ich viel.
Doch wünscht’ ich Unterricht, warum die Rede
Des Mann’s mir seltsam klang, seltsam und freundlich.
Ein Ton scheint sich dem andern zu bequemen,
9370Und hat ein Wort zum Ohre sich gesellt,
Ein andres kommt, dem ersten liebzukosen.
Faust
Gefällt dir schon die Sprechart unsrer Völker
O so gewiß entzückt auch der Gesang,9373 auch ] 2 Heuch C.1 4  (II aa)
Befriedigt Ohr und Sinn im tiefsten Grunde.
9375Doch ist am sichersten wir üben’s gleich,
Die Wechselrede lockt es, ruft’s hervor.
Helena
So sage denn, wie sprech’ ich auch so schön?
Faust
Das ist gar leicht, es muß von Herzen gehn.9378 von ] 2 III H.3a:2von 2 III H.48vom 2 H C.1 4  (II b)
Und wenn die Brust von Sehnsucht überfließt,
9380Man sieht sich um und fragt –
Helena
9380Wer mit genießt.
Faust
Nun schaut der Geist nicht vorwärts nicht zurück,
Die Gegenwart allein –
Helena
Ist unser Glück.
Faust
Schatz ist sie, Hochgewinn, Besitz und Pfand;
Bestätigung wer gibt sie?
Helena
Meine Hand.
Chor
9385Wer verdächt’ es unsrer Fürstin
Gönnet sie dem Herrn der Burg
Freundliches Erzeigen.
Denn gesteht, sämmtliche sind wir
Ja Gefangene, wie schon öfter,
9390Seit dem schmählichen Untergang
Ilios und der ängstlich-
Labyrinthischen Kummerfahrt.
vor 9393 Spatium 2 H Spatium fehlt C.1 4  (II aa)Fraun, gewöhnt an Männerliebe,
Wählerinnen sind sie nicht,
9395Aber Kennerinnen.
Und wie goldlockigen Hirten,
Vielleicht schwarzborstigen Faunen,
Wie es bringt die Gelegenheit,
Über die schwellenden Glieder
9400Vollertheilen sie gleiches Recht.
vor 9401 Spatium 2 H Spatium fehlt C.1 4  (II aa)Nah und näher sitzen sie schon
An einander gelehnet,
Schulter an Schulter, Knie an Knie,
Hand in Hand wiegen sie sich
9405Über des Throns
Aufgepolsterter Herrlichkeit.
Nicht versagt sich die Majestät
Heimlicher Freuden
Vor den Augen des Volkes
9410Übermüthiges Offenbarseyn.
Helena
Ich fühle mich so fern und doch so nah
Und sage nur zu gern: da bin ich! da!
Faust
Ich athme kaum, mir zittert, stockt das Wort,
Es ist ein Traum, verschwunden Tag und Ort.
Helena
9415Ich scheine mir verlebt und doch so neu,
In dich verwebt, dem Unbekannten treu.
Faust
Durchgrüble nicht das einzigste Geschick
Daseyn ist Pflicht und wär’s ein Augenblick.
Phorkyas
heftig eintretend
Buchstabirt in Liebes-Fibeln,
9420Tändelnd grübelt nur am Liebeln,
Müßig liebelt fort im Grübeln,
Doch dazu ist keine Zeit.
Fühlt ihr nicht ein dumpfes Wettern?
Hört nur die Trompete schmettern,
9425Das Verderben ist nicht weit.
Menelas mit Volkes-Wogen
Kommt auf euch herangezogen;
Rüstet euch zu herbem Streit!
Von der Sieger-Schaar umwimmelt,
9430Wie Deiphobus verstümmelt
Büßest du das Fraun-Geleit.
Bammelt erst die leichte Waare,
Dieser gleich ist am Altare
Neugeschliffnes Beil bereit.
Faust
9435Verwegne Störung! widerwärtig dringt sie ein,
Auch nicht in Gefahren mag ich sinnlos Ungestüm.
Den schönsten Boten Unglücksbotschaft häßlicht ihn;
Du Häßlichste gar nur schlimme Botschaft bringst du gern.
Doch dießmal soll dir’s nicht gerathen, leeres Hauchs
9440Erschüttere du die Lüfte. Hier ist nicht Gefahr,
Und selbst Gefahr erschiene nur als eitles Dräun.
Signale, Explosionen von den Thürmen, Trompeten und Zinken, kriegerische Musik, Durchmarsch gewaltiger Heereskraft
Faust
Nein gleich sollst du versammelt schauen
Der Helden ungetrennten Kreis:
Nur der verdient die Gunst der Frauen,
9445Der kräftigst sie zu schützen weiß.
Zu den Heerführern, die sich von den Colonnen absondern und herantreten:
Mit angehaltnem stillem Wüthen,9446 stillem ] 2 III H.45a C.2α 4stillen C.1 4 C.3 4  (IV b)
Das euch gewiß den Sieg verschafft,
Ihr Nordens jugendliche Blüthen,
Ihr Ostens blumenreiche Kraft.
9450In Stahl gehüllt, vom Strahl umwittert,
Die Schaar die Reich um Reich zerbrach,
Sie treten auf, die Erde schüttert,
Sie schreiten fort, es donnert nach.
An Pylos traten wir zu Lande,
9455Der alte Nestor ist nicht mehr,
Und alle kleine Königsbande
Zersprengt das ungebundne Heer.
Drängt ungesäumt von diesen Mauern
Jetzt Menelas dem Meer zurück;
9460Dort irren mag er, rauben, lauern,
Ihm war es Neigung und Geschick.
Herzoge soll ich euch begrüßen
Gebietet Sparta’s Königin,
Nun legt ihr Berg und Thal zu Füßen,
9465Und euer sey des Reichs Gewinn.
Germane du! Corinthus Buchten
Vertheidige mit Wall und Schutz,
Achaia dann mit hundert Schluchten,
Empfehl’ ich Gothe deinem Trutz.
9470Nach Elis ziehn der Franken Heere,
Messene sey der Sachsen Loos,
Normanne reinige die Meere
Und Argolis erschaff er groß.
Dann wird ein jeder häuslich wohnen,
9475Nach außen richten Kraft und Blitz;
Doch Sparta soll euch überthronen
Der Königin verjährter Sitz.
All-Einzeln sieht sie euch genießen
Des Landes dem kein Wohl gebricht;
9480Ihr sucht getrost zu ihren Füßen
Bestätigung und Recht und Licht.
Faust steigt herab, die Fürsten schließen einen Kreis um ihn, Befehl und Anordnung näher zu vernehmen.
Chor
Wer die Schönste für sich begehrt,
Tüchtig vor allen Dingen
Seh er nach Waffen weise sich um;
9485Schmeichelnd wohl gewann er sich
Was auf Erden das Höchste;
Aber ruhig besitzt er’s nicht:
Schleicher listig entschmeicheln sie ihm,
Räuber kühnlich entreißen sie ihm,
9490Dieses zu hinderen sey er bedacht.
Unsern Fürsten lob’ ich drum,
Schätz’ ihn höher vor andern,
Wie er so tapfer klug sich verband
Daß die Starken gehorchend stehn
9495Jedes Winkes gewärtig.
Seinen Befehl vollziehn sie treu,
Jeder sich selbst zu eignem Nutz
Wie dem Herrscher zu lohnendem Dank,
Beiden zu höchlichem Ruhmes-Gewinn.
9500Denn wer entreißet sie jetzt
Dem gewalt’gen Besitzer?
Ihm gehört sie, ihm sey sie gegönnt,
Doppelt von uns gegönnt, die er
Sammt ihr zugleich innen mit sicherster Mauer
9505Außen mit mächtigstem Heer umgab.
Faust
Die Gaben, diesen hier verliehen –
An jeglichen ein reiches Land –
Sind groß und herrlich, laß sie ziehen!
Wir halten in der Mitte Stand.
9510Und sie beschützen um die Wette
Rings um von Wellen angehüpft,
Nichtinsel dich, mit leichter Hügelkette
Europens letztem Bergast angeknüpft.
Das Land, vor aller Länder Sonnen
9515Sey ewig jedem Stamm beglückt,
Nun meiner Königin gewonnen,
Das früh an ihr hinauf geblickt,9517 hinauf geblickt, ] hinaufgeblickt, 2 III H.58ahinauf geblickt. 2 III H.2:1hinaufgeblickt. 2 III H.3a:2hinauf geblickt. 2 H C.1 4  (II b)
Als, mit Eurotas Schilfgeflüster,
Sie leuchtend aus der Schale brach,
9520Der hohen Mutter, dem Geschwister
Das Licht der Augen überstach.
Dieß Land, allein zu dir gekehret,9522 Land, ] 2 HLand C.1 4  (II aa)
Entbietet seinen höchsten Flor;
Dem Erdkreis, der dir angehöret,
9525Dein Vaterland o! zieh es vor.
Und duldet auch auf seiner Berge Rücken
Das Zackenhaupt der Sonne kalten Pfeil,
Läßt nun der Fels sich angegrünt erblicken,
Die Ziege nimmt genäschig kargen Theil.
9530Die Quelle springt, vereinigt stürzen Bäche,
Und schon sind Schluchten, Hänge, Matten grün.
Auf hundert Hügeln unterbrochner Fläche
Siehst Wollenheerden ausgebreitet ziehn.
Vertheilt, vorsichtig, abgemessen schreitet9534 vorsichtig, ] 2 Hvorsichtig mit ungewöhnlich großem Spatium C.1 4  (II aa)
9535Gehörntes Rind hinan zum gähen Rand,9535 gähen ] 2 Hjähen C.1 4  (II aa)
Doch Obdach ist den sämmtlichen bereitet,
Zu hundert Höhlen wölbt sich Felsenwand.
Pan schützt sie dort und Lebensnymphen wohnen
In buschiger Klüfte feucht erfrischtem Raum,
9540Und, sehnsuchtsvoll nach höhern Regionen,
Erhebt sich zweighaft Baum gedrängt an Baum.
Alt-Wälder sind’s! Die Eiche starret mächtig9542 Alt-Wälder ] Alt-Wälder 2 HAlt- Wälder C.1 4  (I c)
Und eigensinnig zackt sich Ast an Ast;
Der Ahorn mild, von süßem Safte trächtig,
9545Steigt rein empor und spielt mit seiner Last.
Und mütterlich im stillen Schattenkreise
Quillt laue Milch bereit für Kind und Lamm;
Obst ist nicht weit, der Ebnen reife Speise,
Und Honig trieft vom ausgehöhlten Stamm.
9550Hier ist das Wohlbehagen erblich,
Die Wange heitert wie der Mund,
Ein jeder ist an seinem Platz unsterblich:
Sie sind zufrieden und gesund.
Und so entwickelt sich am reinen Tage
9555Zu Vaterkraft das holde Kind.
Wir staunen drob; noch immer bleibt die Frage:
Ob’s Götter, ob es Menschen sind?
So war Apoll den Hirten zugestaltet
Daß ihm der schönsten einer glich;
9560Denn wo Natur im reinen Kreise waltet
Ergreifen alle Welten sich.
Neben ihr sitzendvor 9562 sitzend ] sitzend) C.1 4sitzend.) C.2α 4 C.3 4  (VIII)
So ist es mir, so ist es dir gelungen,
Vergangenheit sey hinter uns gethan;
O fühle dich vom höchsten Gott entsprungen,
9565Der ersten Welt gehörst du einzig an.
Nicht feste Burg soll dich umschreiben!
Noch zirkt, in ewiger Jugendkraft
Für uns, zu wonnevollem Bleiben,
Arkadien in Sparta’s Nachbarschaft.
9570Gelockt auf sel’gem Grund zu wohnen,
Du flüchtetest in’s heiterste Geschick!
Zur Laube wandeln sich die Thronen,
9573Arkadisch frei sey unser Glück!