∞Classische Walpurgisnacht
∞
∞Pharsalische Felder, Finsterniß
∞Erichto
7005Zum Schauderfeste dieser Nacht, wie öfter schon,
7006Tret’ ich einher, Erichto, ich
die düstere;
7007Nicht so abscheulich wie die leidigen
Dichter mich
7008Im Übermaaß verlästern . . . Endigen sie doch nie,
7009In Lob und
Tadel . . . Überbleicht
erscheint mir schon
7010Von grauer Zelten Woge weit das Thal dahin,
7011Als Nachgesicht der sorg- und grauenvollsten Nacht.
7012Wie oft schon wiederholt sich’s! Wird sich immerfort
7013In’s Ewige wiederholen . . . Keiner gönnt das Reich
7014Dem Andern, dem gönnt’s keiner der’s
mit Kraft erwarb
7015Und kräftig herrscht. Denn jeder, der sein innres
Selbst
7016Nicht zu regieren weiß, regierte gar zu gern
7017Des Nachbars Willen, eignem stolzen Sinn
gemäß . . .
7018Hier aber ward ein großes Beyspiel durchgekämpft,
7019Wie sich Gewalt Gewaltigerem entgegenstellt,
7020Der Freyheit holder
tausendblumiger Kranz zerreißt,
7021Der starre Lorbeer sich ums Haupt des Herrschers
biegt.
7022Hier träumte Magnus früher Größe Blütentag,
7023Dem schwanken Zünglein lauschend wachte Cäsar dort!
7024Das wird sich messen. Weiß die Welt doch wem’s
gelang.
7025Wachfeuer glühen, rothe Flammen spendende,
7026Der Boden haucht vergoßnen Blutes Wiederschein,
7027Und angelockt von seltnem Wunderglanz der Nacht,
7028Versammelt sich hellenischer Sage Legion.
7029Um alle Feuer schwankt unsicher, oder sitzt
7030Behaglich, alter Tage fabelhaft Gebild . . .
7031Der Mond, zwar unvollkommen, aber leuchtend hell,
7032Erhebt sich, milden Glanz verbreitend überall;
7033Der Zelten Trug verschwindet, Feuer brennen blau.
7034Doch! über mir! welch unerwartet Meteor?
7035Es leuchtet und beleuchtet körperlichen Ball.
7036Ich wittre Leben. Da geziemen will mirs nicht
7037Lebendigem zu nahen, dem ich
schädlich bin;
7038Das bringt mir bösen Ruf und frommt mir nicht.
7039Schon sinkt es nieder. Weich’
ich aus mit Wohlbedacht!
∞Entfernt sich
∞Die Luftfahrer oben
∞Homunkulus
∞
Mephistopheles
∞
Homunkulus
∞
Homunkulus
∞Homunkulus
∞
Mephistopheles
∞
Homunkulus
∞Faust
∞allein
7070Wo ist sie? – Frage jetzt nicht weiter nach . . .
7071Wär’s nicht die Scholle die sie trug,
7072Die Welle nicht die ihr entgegen schlug;
7073So ist’s die Luft die ihre Sprache sprach.
7074Hier! durch ein Wunder, hier in Griechenland!
7075Ich fühlte gleich den Boden wo ich stand;
7076Wie mich, den Schläfer, frisch ein Geist durchglühte,
7077So steh’ ich, ein Antäus
an Gemüthe.
7078Und find’ ich hier das Seltsamste
beysammen,
7079Durchforsch’ ich ernst dies
Labyrinth der Flammen.
∞entfernt sich
∞
Mephistopheles
∞umherspürend
7080Und wie ich diese Feuerchen durchschweife,
7081So find’ ich mich doch ganz und
gar entfremdet,
7082Fast alles nackt, nur hie und da behemdet:
7083Die Sphinxe schamlos, unverschämt die Greife,
7084Und was nicht alles, lockig und beflügelt,
7085Von vorn und hinten sich im Auge spiegelt . . . .
7086Zwar sind auch wir von Herzen unanständig,
7087Doch das Antike find’ ich zu
lebendig;
7088Das müßte man mit neustem Sinn bemeistern
7089Und mannigfaltig modisch überkleistern . . . .
7090Ein widrig Volk! doch darf michs nicht verdrießen
7091Als neuer Gast anständig sie zu grüßen . . . .
7092Glückzu! den schönen Frau’n, den klugen Greisen.
∞Greif
∞schnarrend
7093Nicht Greisen! Greifen! – Niemand hört es gern
7094Daß man ihn Greis nennt. Jedem Worte klingt
7095Der Ursprung nach wo es sich her bedingt:
7096Grau, grämlich, griesgram, gräulich, Gräber, grimmig,
7097Etymologisch gleicherweise stimmig,
7098Verstimmen uns.
∞Greif
∞wie oben und immer so
fort
7100Natürlich! die Verwandtschaft ist erprobt,
7101Zwar oft gescholten, mehr jedoch gelobt;
7102Man greife nun nach Mädchen, Kronen, Gold,
7103Dem Greifenden ist meist Fortuna hold.
∞Ameisen
∞von der colossalen Art
7104Ihr sprecht von Gold, wir hatten viel gesammelt,
7105In Fels und Höhlen heimlich eingerammelt;
7106Das Arimaspen-Volk hat’s ausgespürt,
7107Sie lachen dort, wie weit sie’s
weggeführt.
∞Arimaspen
7109Nur nicht zur freyen Jubelnacht.
7110Bis morgen ists alles durchgebracht,
7111Es wird uns diesmal wohl gelingen.
∞
Mephistopheles
∞hat sich zwischen die Sphinxe gesetzt
7112Wie leicht und gern ich mich hierher gewöhne,
7113Denn ich verstehe Mann für Mann.
∞Sphinx
7114Wir hauchen unsre Geistertöne
7115Und ihr verkörpert sie alsdann.
7116Jetzt nenne dich bis wir dich weiter kennen!
∞
Mephistopheles
7117Mit vielen Namen glaubt man mich zu nennen –
7118Sind Britten hier? Sie reisen sonst so viel,
7119Schlachtfeldern nachzuspüren, Wasserfällen,
7120Gestürzten Mauern, klassisch dumpfen Stellen;
7121Das wäre hier für sie ein würdig Ziel.
7122Sie zeugten auch: Im alten Bühnen-Spiel
7123Sah man mich dort als old Iniquity.
∞Sphinx
7125Mag seyn! Hast du von Sternen einige Kunde?
7126Was sagst du zu der gegenwärt’gen
Stunde?
∞
Mephistopheles
∞aufschauend
7127Stern schießt nach Stern, beschnittner Mond scheint helle
7128Und mir ist wohl an dieser trauten Stelle,
7129Ich wärme mich an deinem Löwenfelle.
7130Hinauf sich zu versteigen wär’ zum Schaden,
7131Gieb Räthsel auf, gieb allenfalls Charaden.
∞Sphinx
7132Sprich nur dich selbst aus, wird schon Räthsel seyn.
7133Versuch einmal dich innigst aufzulösen:
7134„Dem frommen Manne nöthig wie dem bösen,
7135
Dem ein Plastron, ascetisch zu rapiren,
7137Und beydes nur, um Zeus zu
amüsiren.“
∞
Mephistopheles
∞brutal
7140Du glaubst vielleicht des Gastes Nägel krauen
7141Nicht auch so gut wie deine scharfen Klauen?
7142Versuchs einmal!
∞Sphinx
∞milde
7142Du magst nur immer bleiben,
7143Wird dich’s doch selbst aus
unsrer Mitte treiben;
7144In deinem Lande thust dir was zu Gute,
7145Doch, irr’ ich nicht, hier ist
dir schlecht zu Muthe.
∞
Mephistopheles
7146Du bist recht appetitlich oben
anzuschauen,
7147Doch unten hin, die Bestie macht mir Grauen.
∞Sphinx
7148Du Falscher kommst zu deiner bittern Buße,
7149Denn unsre Tatzen sind gesund;
7150
Dir
mit verschrumpftem Pferdefuße
7151Behagt es nicht in unserem Bund.
∞
Sirenen präludiren oben
∞Sirenen
∞Sirenen
∞
Mephistopheles
∞Sphinxe
∞Faust
∞herantretend
7181Wie wunderbar! das Anschaun thut mir Gnüge,
7182Im Widerwärtigen große tüchtige Züge.
7183Ich ahne schon ein günstiges Geschick;
7184Wohin versetzt mich dieser ernste Blick?
∞Auf Sphinxe bezüglich
7185Vor solchen hat einst Ödipus gestanden;
∞Auf Sirenen bezüglich
7186Vor solchen krümmte sich Ulyss in hänfnen Banden;
∞Auf Ameisen bezüglich
7187Von solchen ward der höchste Schatz gespart;
∞Auf Greife bezüglich
7188Von diesen treu und ohne Fehl bewahrt.
7189Vom frischen Geiste fühl’ ich mich durchdrungen,
7190Gestalten groß, groß die Erinnerungen.
∞
Mephistopheles
7191Sonst hättest du dergleichen weggeflucht,
7192Doch jetzo scheint es dir zu frommen;
7193Denn wo man die Geliebte sucht,
7194Sind Ungeheuer selbst willkommen.
∞Faust
∞zu den Sphinxen
7195Ihr Frauenbilder müßt mir Rede stehn:
7196Hat eins der Euren Helena gesehn?
∞Sphinxe
7197Wir reichen nicht hinauf zu ihren Tagen,
7198Die letztesten hat Herkules erschlagen.
7199Von Chiron könntest dus erfragen;
7200Der sprengt herum in dieser Geisternacht,
7201Wenn er dir steht so hast du’s weit gebracht.
∞Sirenen
7202Sollte dir’s doch auch nicht fehlen! . . .
7203Wie Ulyss bey uns verweilte,
7204Schmähend nicht vorübereilte,
7205Wußt’ er vieles zu erzählen;
7206Würden alles dir vertrauen,
7207Wolltest du zu unsern Gauen
7208Dich ans grüne Meer verfügen.
∞Sphinx
7209Laß dich Edler nicht betrügen!
7210Statt daß Ulyss sich binden ließ,
7211Laß unsern guten Rath dich binden;
7212Kannst du den hohen Chiron finden,
7213Erfährst du was ich dir verhieß.
∞Faust entfernt sich
∞
Mephistopheles
∞verdrießlich
7214Was krächzt vorbey mit
Flügelschlag?
7215So schnell daß man’s nicht sehen
mag,
7216Und immer eins dem andern nach,
7217Den Jäger würden sie ermüden.
∞Sphinx
7218Dem Sturm des Winterwinds vergleichbar,
7219Alcides Pfeilen kaum erreichbar;
7220Es sind die raschen
Stymphaliden.
7221Und wohlgemeint ihr Krächzegruß,
7222Mit Geyerschnabel und Gänsefuß.
7223
Sie möchten gern in unsern Kreisen
7224Als Stammverwandte sich erweisen.
∞Sphinx
7226Vor diesen sey euch ja nicht bange,
7227Es sind die Köpfe der Lernäischen Schlange,
7228Vom Rumpf getrennt, und glauben
was zu seyn.
7229Doch sagt, was soll nur aus euch
werden?
7230Was für unruhige Gebärden?
7231Wo wollt ihr hin? Begebt euch fort! . . .
7232Ich sehe, jener Chorus dort
7233Macht euch zum Wendehals. Bezwingt euch nicht,
7234Geht hin! begrüßt manch reizendes Gesicht.
7235Die Lamien sinds, lustfeine Dirnen,
7236
Mit Lächelmund und frechen
Stirnen,
7237Wie sie dem Satyrvolk behagen;
7238Ein Bocksfuß darf dort alles wagen.
∞
∞Peneus umgeben von Gewässern und Nymphenvor 7249 (Überschrift) Peneus ] 2 H Zeichen über dem zweiten e zur Verdeutlichung der Artikulation, darüber ei , am linken Rand Peneus mit Zeichen über dem zweiten e Ri 2 H (VII)
∞Peneus
7249Rege dich du Schilfgeflüster!
7250Hauche leise Rohrgeschwister,
7251Säuselt leichte Weidensträuche
7252Lispelt
Pappelzitterzweige
7253Unterbrochnen Träumen zu! . . .
7254Weckt mich doch ein grauslich Wittern,
7255Heimlich allbewegend Zittern,
7256Aus dem Wallestrom und Ruh.
∞Faust
∞an den Fluß tretend
7257Hör’ ich recht, so muß ich
glauben:
7258Hinter den verschränkten Lauben
7259Dieser Zweige, dieser Stauden
7260Tönt ein menschenähnlichs Lauten:7260 menschenähnlichs ] 2 II H.74 menschlichähnlichs 2 H (II aa)
7261Scheint die Welle doch ein Schwätzen,
7262Lüftlein wie – ein Scherzergötzen.
∞Faust
7271Ich wache ja! O laßt sie walten
7272Die unvergleichlichen Gestalten
7273Wie sie dorthin mein Auge schickt.
7274So wunderbar bin ich durchdrungen
7275Sind’s Träume? Sind’s
Erinnerungen?
7276Schon einmal warst du so beglückt.
7277Gewässer schleichen durch die Frische
7278Der dichten sanft
bewegten Büsche,
7279Nicht rauschen sie, sie rieseln kaum;
7280Von allen Seiten hundert Quellen
7281Vereinen sich, im reinlich hellen
7282Zum Bade flach vertieften Raum.
7283Gesunde junge Frauenglieder,
7284Vom feuchten Spiegel doppelt wieder
7285Ergötztem Auge zugebracht!
7286Gesellig dann und fröhlich badend,
7287Erdreistet schwimmend, furchtsam wadend;7287 wadend ] 2 II H.74
2 H watend emend Erich
Schmidt (VII)
7288Geschrey zuletzt und Wasserschlacht.
7289Begnügen sollt’ ich mich an
diesen,
7290Mein Auge sollte hier genießen,
7291Doch immer weiter strebt mein Sinn.
7292Der Blick dringt scharf nach jener Hülle,
7293Das reiche Laub der grünen Fülle
7294Verbirgt die hohe Königin.
7295Wundersam! auch Schwäne kommen
7296Aus den Buchten hergeschwommen,
7297Majestätisch rein bewegt.
7298Ruhig schwebend, zart gesellig,
7299Aber stolz und selbstgefällig
7300Wie sich Haupt und Schnabel regt . . . .
7301Einer aber scheint vor allen
7302Brüstend kühn sich zu gefallen,
7303Segelnd rasch durch alle fort;
7304Sein Gefieder bläht sich schwellend,
7305Welle selbst, auf Wogen wellend,
7306Dringt er zu dem heiligen Ort . . . .
7307Die andern schwimmen hin und wieder
7308Mit ruhig glänzendem Gefieder,
7309Bald auch in regem prächtigen Streit;
7310Die scheuen Mädchen abzulenken,
7311Daß sie an ihren Dienst nicht denken,
7312Nur an die eigne Sicherheit.
∞Nymphen
∞Faust
∞Chiron
7333Sitz auf! so kann ich nach Belieben fragen:
7334Wohin des Wegs? Du stehst am Ufer hier,
7335Ich bin bereit dich durch
den Fluß zu tragen.
∞Faust
∞aufsitzend
7336Wohin du willst. Für ewig dank’
ichs dir . . . .
7337Der große Mann der edle Pädagog,
7338Der, sich zum Ruhm, ein
Heldenvolk erzog,
7339Den schönen Kreis der edlen Argonauten
7340Und alle die des Dichters Welt erbauten.
∞Chiron
7341Das lassen wir an seinem Ort!
7342Selbst Pallas kommt als Mentor nicht zu Ehren;
7343Am Ende treiben sie’s nach ihrer Weise fort
7344Als wenn sie nicht erzogen wären.
∞Faust
7345Den Arzt der jede Pflanze nennt,
7346Die Wurzeln bis ins Tiefste kennt,
7347Dem Kranken Heil, dem Wunden Lindrung schafft,
∞Chiron
7349Ward neben mir ein Held verletzt,
7350Da wußt’ ich Hülf’ und Rath zu schaffen;
7351Doch ließ ich meine Kunst zuletzt
7352Den Wurzelweibern und den Pfaffen.
∞Faust
7353Du bist der wahre große Mann
7354Der Lobeswort nicht hören kann;
7355Er sucht bescheiden auszuweichen
7356Und thut als gäb’ es Seinesgleichen.
∞Faust
7359So wirst du mir denn doch gestehn
7360Du hast die Größten deiner Zeit gesehn,
7361Dem Edelsten in Thaten nachgestrebt,
7362Halbgöttlich ernst die Tage durchgelebt.
7363Doch unter den heroischen Gestalten
7364Wen hast du für den Tüchtigsten gehalten?
∞Chiron
7365Im hehren Argonautenkreise
7366War jeder brav nach seiner eignen Weise,
7367Und, nach der Kraft die ihn beseelte,
7368Konnt’ er genügen, wo’s den
andern fehlte.
7369Die Dioskuren haben stets gesiegt,
7370Wo Jugendfüll’ und Schönheit überwiegt.
7371Entschluß und schnelle That zu andrer Heil
7372Den Boreaden ward’s zum schönen Theil;
7373Nachsinnend, kräftig, klug, im Rath bequem,
7374So herrschte Jason, Frauen angenehm.
7375Dann Orpheus, zart und immer still bedächtig,
7376Schlug er die Leyer allen übermächtig.
7377Scharfsichtig Lynceus, der, bey Tag und Nacht,
7378Das heilge Schiff durch Klipp’ und Strand gebracht . . . .
7379Gesellig nur läßt sich Gefahr erproben:
7380Wenn einer wirkt, die andern alle loben.
∞Chiron
∞Faust
7395So sehr auch Bildner auf ihn pochen,
7396So herrlich kam er nie zur Schau.
7397Vom schönsten Mann hast du gesprochen,
7398Nun sprich auch von der schönsten Frau!
∞Chiron
7399Was! . . Frauen-Schönheit will nichts heißen,
7400Ist gar zu oft ein starres Bild;
7401Nur solch ein Wesen kann ich preisen
7402Das froh und lebenslustig quillt.
7403Die Schöne bleibt sich selber selig;
7404Die Anmuth macht unwiderstehlich,
7405Wie Helena, da ich sie trug.
∞Faust
7410O! ganz und gar
7411Verlier’ ich mich! Erzähle wie?
7412Sie ist mein einziges Begehren!
7413Woher? wohin? ach, trugst du sie?
∞Chiron
7414Die Frage läßt sich leicht gewähren.
7415Die Dioskuren hatten, jener Zeit,
7416Das Schwesterchen aus Räuberfaust befreyt.
7417Doch diese, nicht gewohnt besiegt zu seyn,
7418Ermannten sich und stürmten hinterdrein.
7419Da hielten der Geschwister eiligen Lauf,
7420Die Sümpfe bey Eleusis auf;
7421Die Brüder wateten, ich patschte, schwamm hinüber;
7422Da sprang sie ab und streichelte
7423Die feuchte Mähne, schmeichelte
7424Und dankte lieblich-klug und selbstbewusst.
7425Wie war sie reizend! jung, des Alten Lust!
∞Chiron
7426Ich seh’, die
Philologen
7427Sie haben dich so wie sich selbst betrogen.
7428Ganz eigen ist’s mit mythologischer Frau;
7429Der Dichter bringt sie, wie er’s
braucht zur Schau:
7430Nie wird sie mündig, wird nicht alt,
7431Stets appetitlicher Gestalt,
7432Wird jung entführt, im Alter noch umfreyt;
7433G’nug, den Poeten bindet keine
Zeit.
∞Faust
7434So sey auch sie durch keine Zeit gebunden!
7435Hat doch Achill auf Pherä sie gefunden,
7436Selbst außer aller Zeit. Welch seltnes Glück:
7438Und sollt ich nicht, sehnsüchtigster Gewalt,
7439Ins Leben ziehn die einzigste Gestalt?
7440Das ewige Wesen, Göttern ebenbürtig,
7441So groß als zart, so hehr als liebenswürdig?
7442Du sahst sie einst, heut hab’ ich sie
gesehn,
7443So schön wie reizend, wie ersehnt so schön.
7444Nun ist mein Sinn, mein Wesen streng umfangen,
7445Ich lebe nicht, kann ich sie nicht erlangen.
∞Chiron
7446Mein fremder Mann! als Mensch bist du entzückt,
7447Doch unter Geistern scheinst du wohl verrückt.
7448Nun trifft sich’s hier zu deinem
Glücke;
7449Denn alle Jahr, nur wenig Augenblicke,
7450Pfleg’ ich bey Manto
vorzutreten,
7451Der Tochter Äsculaps; im stillen Beten
7452Fleht sie zum Vater: daß, zu seiner Ehre,
7453Er endlich doch der Ärzte Sinn verkläre,
7454Und vom verwegnen Todtschlag sie bekehre . . .
7455Die liebste mir aus der Sibyllengilde,
7456Nicht fratzenhaft bewegt, wohlthätig milde;
7457Ihr glückt es wohl, bey einigem
Verweilen,
7458Mit Wurzelkräften dich von Grund zu heilen.
∞Faust
7459Geheilt will ich nicht seyn, mein Sinn ist mächtig;
7460Da wär’ ich ja wie andre niederträchtig.
∞Faust
7463Sag an! Wohin hast du, in grauser Nacht,
7464Durch Kiesgewässer, mich an’s Land gebracht?
∞Chiron
7465Hier trotzten Rom und Griechenland im Streite,
7466
Peneios rechts, lincks den Olymp zur Seite.
7467Das größte Reich das sich im Sand verliert;
7468Der König flieht, der Bürger triumphirt.
7469Blick auf! hier steht, bedeutend nah,
7470Im Mondenschein der ewige Tempel da.
∞Chiron
7482Die verrufene Nacht
7483
Hat strudelnd ihn hierhergebracht.
7484Helenen, mit verrückten Sinnen,
7485Helenen will er sich gewinnen,
7486Und weiß nicht wie und wo beginnen;
7487Asklepischer Kur vor andern
werth.
∞
Chiron ist schon weit weg
∞Manto
7489Tritt ein, Verwegner, sollst dich
freuen;
7490Der dunkle Gang führt zu Persephoneien.
7491In des Olympus hohlem Fuß
7492Lauscht sie geheim verbotnem Gruß.
7493Hier hab’ ich einst den Orpheus
eingeschwärzt,
7494Benutz’ es besser, frisch! beherzt!
∞
Sie steigen hinab.
∞
∞Am obern Peneios wie zuvor
∞Sirenen
7495Stürzt euch in Peneios Fluth!
7496Plätschernd ziemt es da zu schwimmen,
7497Lied um Lieder anzustimmen,
7498Dem unseligen Volk zu gut.
7499Ohne Wasser ist kein Heil!
7500Führen wir mit hellem Heere
7501Eilig zum ägäischen Meere,
7502Würd’ uns jede Lust zu Theil.
∞Erdbeben
∞Sirenen
7503Schäumend kehrt die Welle wieder,
7504Fließt nicht mehr im Bett darnieder;
7505 Grund erbebt, das Wasser staucht,
7506Kies und Ufer berstend raucht.
7507Flüchten wir! Kommt alle,
kommt!
7508Niemand dem das Wunder frommt.
7509Fort! ihr edlen frohen Gäste
7510Zu dem seeisch heitern Feste,
7511Blinkend wo die Zitterwellen,
7512Ufernetzend, leise schwellen;
7513Da wo Luna doppelt leuchtet,
7514Uns mit heilgem Thau befeuchtet.
7515Dort ein freybewegtes Leben,
7516Hier ein ängstlich Erde-Beben;
7517Eile jeder Kluge fort!
7518Schauderhaft ist’s um den Ort.
∞Seismos
∞in der Tiefe brummend und
polternd
7519Einmal noch mit Kraft geschoben,
7520Mit den Schultern brav gehoben!
7521So gelangen wir nach oben,
7522Wo uns alles weichen muß.
∞Sphinxe
7523Welch ein widerwärtig Zittern
7524Häßlich grausenhaftes Wittern!
7525Welch ein Schwanken, welches Beben,
7526Schaukelnd Hin- und Widerstreben!
7527Welch unleidlicher Verdruß!
7528Doch wir ändern nicht die Stelle,
7529Bräche los die ganze Hölle.
7530Nun erhebt sich ein Gewölbe
7531Wundersam. Es ist derselbe,
7532Jener Alte, längst Ergraute,
7533Der die Insel Delos baute,
7534Einer Kreisenden zu Lieb’ 7534 Kreisenden ] 2 H
kreisenden : Kreisenden G 2 II H.74
Kreißenden emend Erich Schmidt (VII)
7535Aus der Wog’ empor sie
trieb.
7536Er, mit Streben, Drängen, Drücken,
7537Arme straff, gekrümmt den Rücken,
7538Wie ein Atlas an Gebärde,
7539Hebt er Boden, Rasen, Erde,
7540Kies und Gries und Sand und Letten,
7541Unsres Ufers stille Betten.
7542So zerreisst er eine Strecke
7543Queer des Thales ruhige Decke.
7544Angestrengtest, nimmer müde,7544 Angestrengtest ] Angestrengtest 2 II H.74 Angestregtest 2 H (I a)
7545Colossale Caryatide;
7546Trägt ein furchtbar Steingerüste,
7547Noch im Boden bis zur Büste;
7548Weiter aber solls nicht kommen,
7549Sphinxe haben Platz genommen.
∞Seismos
7550Das hab’ ich ganz allein
vermittelt,
7551Man wird mir’s endlich
zugestehn;
7552Und hätt’ ich nicht geschüttelt und gerüttelt,
7553Wie wäre diese Welt so schön?
7554Wie ständen eure Berge droben
7555In prächtig-reinem Ätherblau,
7556Hätt’ ich sie nicht hervorgeschoben,
7557Zu malerisch-entzückter Schau!
7558Als, Angesichts der höchsten Ahnen,
7559Der Nacht, des Chaos, ich mich
stark betrug
7560Und, in Gesellschaft von Titanen,
7561Mit Pelion und Ossa als mit Ballen schlug.
7562Wir tollten fort in jugendlicher Hitze,
7563Bis überdrüssig, noch
zuletzt
7564Wir dem Parnaß, als eine Doppelmütze,
7565Die beiden Berge frevelnd aufgesetzt . . . .
7566Apollen hält ein froh Verweilen
7567Dort nun mit seliger Musen Chor.
7568Selbst Jupitern und seinen Donnerkeilen
7569Hob’ ich den Sessel hoch
empor.
7570Jetzt so, mit ungeheurem Streben,
7571Drang aus dem Abgrund ich herauf
7572Und fordere laut, zu neuem Leben,
7573Mir fröhliche Bewohner auf.
∞Sphinxe
7574Uralt müßte man
gestehen
7575Sey das hier Emporgebürgte,
7576Hätten wir nicht selbst gesehen
7577Wie sich’s aus dem Boden
würgte.
7578Bebuschter Wald verbreitet sich hinan,
7579Noch drängt sich Fels auf Fels bewegt heran;
7580Ein Sphinx wird sich daran nicht kehren:
7581Wir lassen uns im heiligen Sitz nicht stören.
∞Greife
∞Chor der Ameisen
7586Wie ihn die Riesigen
7587Empor geschoben,
7588Ihr Zappelfüßigen
7589Geschwind nach oben!
7590Behendest aus und ein!
7591In solchen Ritzen
7592Ist jedes Bröselein
7593Werth zu besitzen.
7594Das Allermindeste
7595Müßt ihr entdecken,
7596Auf das geschwindeste
7597In allen Ecken.
7598Allemsig müsst ihr seyn,
7599Ihr Wimmelschaaren;
7600Nur mit dem Gold herein!
7601Den Berg laßt fahren.
∞Greife
7602Herein! Herein! Nur Gold zu Hauf,
7603Wir legen unsre Klauen drauf;
7604Sind Riegel von der besten Art,
7605Der größte Schatz ist wohl verwahrt.
∞Pygmäen
7606Haben wirklich Platz genommen,
7607Wissen nicht wie es geschah;
7608Fraget nicht woher wir kommen:
7609Denn wir sind nun einmal da!
7610Zu des Lebens lustigem Sitze
7611Eignet sich ein jedes Land;
7612Zeigt sich eine Felsenritze,
7613Ist auch schon der Zwerg zur Hand.
7614Zwerg und Zwergin rasch zum Fleiße,
7615Musterhaft ein jedes Paar;
7616Weiß nicht ob es gleicher Weise
7617Schon im Paradiese war.
7618Doch wir findens hier zum besten,
7619Segnen dankbar unsern Stern;
7620Denn, im Osten wie im Westen,
7621Zeugt die Mutter Erde gern.
∞Dacktyle
∞Pygmäen-Älteste
∞Generalissimus
7660Mordgeschrey und Sterbeklagen,
7661Ängstlich Flügelflatterschlagen,
7662Welch ein Ächzen, welch Gestöhn
7663Dringt herauf zu unsern Höhn!
7664Alle sind sie schon ertödtet,
7665See von ihrem Blut geröthet;
7666Mißgestaltete Begierde
7667Raubt des Reihers edle Zierde.
7668Weht sie doch schon auf dem Helme
7669Dieser Fettbauch-Krummbein-Schelme.
7670Ihr Genossen unsres Heeres,
7671Reihenwanderer des Meeres,
7672Euch berufen wir zur Rache
7673In so nahverwandter Sache;
7674Keiner spare Kraft und Blut,
7675Ewige Feindschaft dieser Brut!
∞
Zerstreuen sich krächzend in den Lüften
∞
Mephistopheles
∞
in der Ebne
7676Die nordischen Hexen wußt’ ich
wohl zu meistern,
7677Mir wirds nicht just mit diesen fremden Geistern.
7678Der Blocksberg bleibt ein gar bequem Local,
7679Wo man auch sey, man findet sich zumal.
7683Doch alles ist für tausend Jahr gethan.
7684Wer weiß denn hier nur, wo er geht und steht,
7685Ob unter ihm sich nicht der Boden bläht? . .
7686Ich wandle lustig durch ein glattes Thal
7687Und hinter mir erhebt sich auf einmal
7688Ein Berg, zwar kaum ein Berg zu nennen,
7689Von meinen Sphinxen mich jedoch zu trennen
7690Schon hoch genug – Hier zuckt noch manches Feuer
7691Das Thal hinab, und flammt ums
Abenteuer . . .
7692Noch tanzt und schwebt mir lockend, weichend vor,
7693Spitzbübisch gaukelnd, der galante Chor.
7694Nur sachte drauf! Allzu gewohnt ans Naschen,
7695Wo es auch sey man sucht was zu erhaschen.
∞Lamien
∞Mephistopheles
nach sich
ziehend
7696Geschwind, geschwinder!
7697Und immer weiter!
7698Dann wieder zaudernd,
7699Geschwätzig plaudernd.
7700Es ist so heiter
7701Den alten Sünder
7702Uns nach zu ziehen,
7703Zu schwerer Buße.
7704Mit starrem Fuße
7705Kommt er geholpert
7706Einher gestolpert;
7707Er schleppt das Bein,
7708Wie wir ihn fliehen,
7709Uns hinterdrein.
∞
Mephistopheles
∞stillstehend
∞Lamien
∞inne haltend
7720Halt! er besinnt sich,
zaudert, steht;
7721Entgegnet ihm daß er euch nicht entgeht!
∞
Mephistopheles
∞
Mephistopheles
∞Empuse
∞
Mephistopheles
∞Lamien
∞
Mephistopheles
∞Lamien
7760Versuch’
es doch! sind unsrer Viele.
7761Greif zu! Und hast du Glück im Spiele,
7762Erhasche dir das beste Loos.
7763Was soll das lüsterne Geleyer?
7764Du bist ein miserabler Freyer,
7765Stolzirst einher und thust so groß! –
7766Nun mischt er sich in unsre Schaaren;
7767Laßt nach und nach die Masken fahren,
7768Und gebt ihm euer Wesen blos.
∞
Mephistopheles
7769Die schönste hab’ ich mir
erlesen . . . .
∞sie umfassend
7770O weh mir! welch ein dürrer
Besen!
∞eine andere ergreifend
7771Und diese? . . . .
Schmähliches Gesicht!
∞
Mephistopheles
7773Die Kleine möcht’ ich mir verpfänden . . . .
7774Lacerte schlüpft mir aus den Händen!
7775Und schlangenhaft der glatte Zopf.
7777Da pack’ ich eine
Thyrsusstange!
7778Den Pinienapfel als den Kopf.
7779Wo will’s hinaus? . . . . Noch eine Dicke,
7780An der ich mich vielleicht erquicke;
7781Zum letztenmal gewagt! Es sey!
7782Recht quammig, quappig, das bezahlen
7783Mit hohem Preis Orientalen . . . .
7784Doch ach! der Bovist platzt entzwey!
∞Lamien
7785Fahrt auseinander, schwankt und schwebet
7786Blitzartig, schwarzen Flugs
umgebet
7787Den eingedrungenen Hexensohn!
7788Unsichre schauderhafte Kreise!
7789Schweigsamen Fittigs, Fledermäuse!
7790Zu wohlfeil kommt er doch davon.
∞
Mephistopheles
∞
sich schüttlend
7791Viel klüger, scheint es,
bin ich nicht geworden;
7792Absurd ist’s hier, absurd im
Norden,
7793Gespenster hier wie dort vertrackt,
7794Volk und Poeten abgeschmackt.
7795Ist eben hier eine Mummenschanz
7796Wie überall ein Sinnentanz.
7797Ich griff nach holden Maskenzügen
7798Und faßte Wesen daß mich’s
schauerte . . . .
7799Ich möchte gerne mich betrügen,
7800Wenn es nur länger dauerte.
∞sich zwischen dem
Gestein verirrend
7801Wo bin ich denn? Wo will’s
hinaus?
7802Das war ein Pfad, nun ist’s ein
Graus.
7803Ich kam daher auf glatten Wegen,
7804Und jetzt steht mir Geröll entgegen.
7805Vergebens klettr’ ich auf und nieder,
7806Wo find ich meine Sphinxe wieder?
7807So toll hätt ich mirs nicht gedacht
7808Ein solch Gebirg in Einer Nacht.
7809Das heiß ich frischen Hexenritt!7809–7810 Hexenritt! bis mit. ] 2 H Hexenritt‸ bis mit‸ auf eingeklebtem Zettel 2 H (VII)
7810Die bringen ihren Blocksberg mit.
∞Oreas
∞
vom Naturfels
7811Herauf hier! Mein Gebirg ist alt,
7812Steht in ursprünglicher Gestalt.
7813Verehre schroffe Felsensteige,
7814Des Pindus letztgedehnte Zweige.
7815Schon stand ich unerschüttert so,
7816Als über mich Pompejus floh.
7817Daneben, das Gebild des Wahns,
7818Verschwindet schon beym Krähn des Hahns.
7819Dergleichen Mährchen seh’ ich oft
entstehn
7820Und plötzlich wieder untergehn.
∞
Mephistopheles
7821Sey Ehre dir, ehrwürdiges
Haupt!
7822Von hoher Eichenkraft umlaubt;
7823Der allerklarste Mondenschein
7824Dringt nicht zur Finsterniß herein. –
7825Doch neben am Gebüsche zieht
7826Ein Licht das gar bescheiden glüht.
7827Wie sich das alles fügen muß!
7828Fürwahr! es ist Homunkulus.
7829Woher des Wegs, du Kleingeselle?
∞
Homunkulus
7830Ich schwebe so von Stell’ zu Stelle
7831Und möchte gern im besten Sinn entstehn,
7832Voll Ungeduld mein Glas entzwey zu schlagen;
7833Allein was ich bisher gesehn
7834Hinein da möcht’ ich mich nicht wagen.
7835Nur, um dirs im Vertraun zu
sagen:
7836Zwey Philosophen bin ich auf der Spur,
7837Ich horchte zu, es hieß: Natur! Natur!
7838Von diesen will ich mich nicht trennen,
7839Sie müssen doch das irdische Wesen kennen;
7840Und ich erfahre wohl am Ende
7841Wohin ich mich am allerklügsten wende.
∞
Mephistopheles
7842Das thu’ auf deine eigne
Hand.
7843Denn, wo Gespenster Platz
genommen,
7844Ist auch der Philosoph willkommen.
7845Damit man seiner Kunst und Gunst sich freue,
7846Erschafft er gleich ein Dutzend neue.
7847Wenn du nicht irrst, kommst du
nicht zu Verstand!
7848Willst du entstehn, entsteh’ auf
eigne Hand!
∞trennen sich
∞Anaxagoras
∞zu Thales
7851Dein starrer Sinn will sich nicht beugen,
7852Bedarf es weit’res dich zu
überzeugen?
∞Thales
7853Die Welle beugt sich jedem Winde gern,
7854Doch hält sie sich vom schroffen Felsen fern.
∞
Homunkulus
∞zwischen beiden
7857Laßt mich an eurer Seite gehn,
7858Mir selbst gelüstet’s zu
entstehn!
∞
Anaxagoras
7859Hast du, o Thales, je, in Einer Nacht,
7860Solch einen Berg aus Schlamm hervorgebracht?
∞Thales
7861Nie war Natur und ihr lebendiges Fließen
7862Auf Tag und Nacht und Stunden angewiesen;
7863Sie bildet regelnd jegliche Gestalt,
7864Und selbst im Großen ist es nicht Gewalt.
∞
Anaxagoras
7865Hier aber war’s! Plutonisch grimmig Feuer,
7866Äolischer Dünste Knallkraft ungeheuer,
7867Durchbrach des flachen Bodens alte Kruste
7868Daß neu ein Berg sogleich entstehen mußte.
∞Thales
7869Was wird dadurch nun weiter fortgesetzt?
7870Er ist auch da, und das ist gut zuletzt.
7871Mit solchem Streit verliert man Zeit und
Weile
7872Und führt doch nur geduldig Volk am Seile.
∞
Anaxagoras
7873Schnell quillt der Berg von Myrmidonen,
7874Die Felsenspalten zu bewohnen,
7875Pygmäen, Imsen, Däumerlinge,
7876Und andre thätig kleine Dinge.
7877Nie hast du Großem nachgestrebt,
7878Einsiedlerisch-beschränkt gelebt;
7879Kannst du zur Herrschaft dich gewöhnen,
7880So laß ich dich als König krönen.
∞Thales
7881
Will’s nicht rathen;
7882Mit Kleinen thut man kleine Thaten,
7883Mit Großen wird der Kleine groß.
7884Sieh hin! die schwarze Kranich-Wolke!
7885Sie droht dem aufgeregten Volke
7886Und würde so dem König drohn.
7887Mit scharfen Schnäbeln, krallen Beinen,
7888Sie stechen nieder auf die Kleinen;
7889Verhängniß wetterleuchtet schon.
7890Ein Frevel tödtete die Reiher,
7891Umstellend ruhigen Friedensweiher.
7892Doch jener Mordgeschosse Regen,
7893Schafft grausam-blut’gen
Rache-Segen,
7894Erregt der Nahverwandten Wuth,
7895Nach der Pygmäen frevlem Blut.
7896Was nützt nun Schild und Helm und Speer?
7897Was hilft der Reiherstrahl den Zwergen?
7898Wie sich Dacktyl und Imse bergen,
7899Schon wankt, es flieht, es stürzt das Heer.
∞
Anaxagoras
∞nach einer Pause
feyerlich
7900Konnt’ ich bisher die
Unterirdischen loben,
7901So wend’ ich mich in diesem
Fall nach oben . . .
7902Du! droben ewig unveraltete,
7903Dreynamig-Dreygestaltete,
7904Dich ruf’ ich an bey meines
Volkes Weh,
7905Diana, Luna, Hekate!
7906Du Brust-erweiternde, im
Tiefsten-sinnige,
7907Du ruhig-scheinende, gewaltsam-innige,
7908Eröffne deiner Schatten
grausen Schlund,
7909Die alte Macht sey ohne Zauber kund!
∞Pause
7910Bin ich zu schnell erhört!
7911Hat mein Flehn
7912Nach jenen Höhn
7913Die Ordnung der Natur gestört?
7914Und größer, immer größer nahet
schon
7915Der Göttin rundumschriebner Thron,
7916Dem Auge furchtbar,
ungeheuer.
7917Ins Düstre röthet sich sein Feuer . . .
7918Nicht näher! drohend-mächtige
Runde,
7919Du richtest uns und Land und Meer zu Grunde!
7920So wär’ es wahr daß dich
Thessalische Frauen,
7921In frevlend magischem Vertrauen,
7922Von deinem Pfad herabgesungen?
7923Verderblichstes dir abgerungen? . . .
7924Das lichte Schild hat sich umdunkelt,
7925Auf einmal reißt’s und blitzt
und funkelt,
7926Welch ein Geprassel! Welch ein Zischen!
7927Ein Donnern, Windgethüm dazwischen! –
7928Demüthig zu des Thrones Stufen! –
7929Verzeiht! Ich hab’ es
hergerufen.
∞Wirft sich aufs Angesicht
∞Thales
7930Was dieser Mann nicht alles hört’
und sah!
7931Ich weiß nicht recht wie uns geschah;
7932Auch hab’ ich’s nicht mit ihm
empfunden.
7933Gestehen wir, es sind verrückte Stunden,
7934Und Luna wiegt sich ganz bequem
7935An ihrem Platz so wie vordem.
∞
Homunkulus
7936Schaut hin nach der Pygmäen Sitz,
7937Der Berg war rund, jetzt ist er
spitz.
7938Ich spürt’ ein ungeheures
Prallen,
7939Der Fels war aus dem Mond gefallen,
7940Gleich hat er, ohne nachzufragen,
7941So Freund als Feind gequetscht, erschlagen.
7942Doch muß ich solche Künste loben,
7943Die schöpferisch, in einer Nacht,
7944Zugleich von unten und von oben,
7945Dies Berggebäu zu Stand gebracht.
∞Thales
7946Sey ruhig! Es war nur gedacht.
7947Sie fahre hin die garstige Brut!
7948Daß du nicht König warst ist gut.
7949Nun fort zum heitern Meeresfeste,
7950Dort hofft und ehrt man Wundergäste.
∞
entfernen sich
∞
Mephistopheles
∞
An der Gegenseite kletternd
7951Da muß ich mich durch steile Felsentreppen,
7952Durch alter Eichen starre Wurzeln schleppen!
7953Auf meinem Harz der harzige Dunst
7954Hat was vom Pech und das hat meine Gunst;
7955Zunächst der Schwefel . . . . Hier, bey diesen Griechen
7956Ist von dergleichen kaum die Spur zu riechen;
7957Neugierig aber wär’ ich, nachzuspüren
7958Womit sie Höllenqual und Flamme schüren.
∞Dryas
7959In deinem Lande sey einheimisch klug,
7960Im fremden bist du nicht gewandt genug.
7961Du solltest nicht den Sinn zur Heimath kehren,
7962Der heiligen Eichen Würde hier verehren.
∞
Mephistopheles
7963Man denkt an das was man verließ,
7964Was man gewohnt war bleibt ein Paradies.
7965Doch sagt: was in der Höhle dort,
7966Bey schwachem Licht, sich dreyfach hingekauert?
∞
Mephistopheles
7969Warum denn nicht! – Ich sehe was, und staune.
7970So stolz ich bin, muß ich mir
selbst gestehn:
7971Dergleichen hab’ ich nie gesehn,
7972Die sind ja schlimmer als Alraune . . . .
7973Wird man die urverworfnen Sünden
7974Im mindesten noch häßlich finden,
7975Wenn man dies Dreygethüm erblickt?
7976Wir litten sie nicht auf den Schwellen
7977Der grauenvollsten unsrer Höllen.
7978Hier wurzelt’s in der Schönheit
Land,
7979Das wird mit Ruhm antik genannt . . . .
7980Sie regen sich, sie scheinen mich zu spüren,
7981Sie zwitschern pfeifend,
Fledermaus-Vampyren.
∞
Mephistopheles
7984Verehrteste! Erlaubt mir euch zu nahen
7985Und euren Seegen dreyfach zu empfahen.
7986Ich trete vor, zwar noch als Unbekannter
7987Doch, irr’ ich nicht, weitläufiger Verwandter.
7988Altwürdige Götter hab’ ich schon erblickt,
7989Vor Ops und Rhea tiefstens mich gebückt,
7990Die Parzen selbst, des Chaos, Eure Schwestern,
7991Ich sah sie gestern – oder ehegestern;
7992Doch eures Gleichen hab’ ich nie erblickt,
7993Ich schweige nun und fühle mich entzückt.
∞
Mephistopheles
7995Nur wundert’s mich daß euch kein Dichter preist.
7996Und sagt! wie kam’s, wie konnte das geschehn?
7997Im Bilde hab’ ich nie euch Würdigste gesehn;
7998Versuch’s der Meißel doch euch zu erreichen,
7999Nicht Juno, Pallas, Venus und dergleichen.
∞
Phorkyaden
8000Versenkt in Einsamkeit und stillste Nacht
8001Hat unser Drey noch nie daran gedacht!
∞
Mephistopheles
8002Wie sollt’ es auch? da ihr der
Welt entrückt,
8003Hier niemand seht und niemand euch erblickt.
8004Da müßtet ihr an solchen Orten wohnen
8005Wo Pracht und Kunst auf gleichem Sitze thronen,
8006Wo jeden Tag, behend, im Doppelschritt,
8007Ein Marmorblock als Held ins Leben tritt.
8008Wo –
∞
Phorkyaden
8008Schweige still und gieb uns kein
Gelüsten!
8009Was hülf’ es uns und wenn wir’s besser wüßten?
8010In Nacht geboren, Nächtlichem verwandt,
8011Beynah uns selbst, ganz allen unbekannt.
∞
Mephistopheles
8012In solchem Fall hat es nicht viel zu sagen,
8013Man kann sich selbst auch andern übertragen.
8014Euch Dreyen g’nügt Ein Auge, g’nügt Ein
Zahn,
8015Da ging’ es wohl auch
mythologisch an
8016In zwey die Wesenheit der drey zu fassen,
8017Der dritten Bildniß mir zu überlassen,
8018Auf kurze Zeit.
∞
Mephistopheles
8020Nun habt ihr grad das Beste weggenommen;
8021Wie würde da das strengste Bild vollkommen?
∞Eine
8022Drück du ein Auge zu, ’s ist leicht geschehn,
8023Laß alsofort den Einen Raffzahn sehn,
8024Und, im Profil, wirst du sogleich erreichen
8025Geschwisterlich vollkommen uns zu gleichen.
∞
Phorkyaden
8030Im neuen Drey der Schwestern welche Schöne!
8031Wir haben zwey der Augen, zwey
der Zähne.
∞
Mephistopheles
8032Vor aller Augen muß ich mich verstecken,
8033Im Höllenpfuhl die Teufel zu erschrecken.
∞
ab
∞
∞Felsbuchten des Ägäischen Meers
∞Mond im Zenith verharrend
∞Sirenen
∞auf den Klippen umher
gelagert, flötend und
singend
8034Haben sonst bey nächtigem Grauen
8035Dich thessalische Zauberfrauen
8036Frevelhaft herabgezogen,
8037Blicke ruhig von dem Bogen
8038Deiner Nacht auf Zitterwogen
8039Mildeblitzend Glanzgewimmel,
8040Und erleuchte das Getümmel
8041Das sich aus den Wogen hebt.
8042Dir zu jedem Dienst erbötig,
8043Schöne Luna, sey uns
gnädig!
∞
als Meerwunder
∞Sirenen
∞entfernen sich
∞Sirenen
∞Thales
∞
am Ufer zu Homunkulus
8082Ich führte dich zum alten Nereus gern;
8083Zwar sind wir nicht von seiner Höhle fern,
8084Doch hat er einen harten Kopf,
8085Der widerwärtige Sauertopf.
8086Das ganze menschliche Geschlecht
8087Macht’s ihm, dem Griesgram, nimmer recht.
8088Doch ist die Zukunft ihm entdeckt,
8089Dafür hat jedermann Respect,
8090Und ehret ihn auf seinem Posten;
8091Auch hat er manchem wohlgethan.
∞Nereus
8094Sind’s Menschenstimmen die mein
Ohr vernimmt?
8095Wie es mir gleich im tiefsten Herzen grimmt!
8096Gebilde, strebsam Götter zu erreichen,
8097Und doch verdammt sich immer selbst zu gleichen.
8098Seit alten Jahren konnt’ ich göttlich ruhn,
8099Doch trieb mich’s an den Besten
wohlzuthun;
8100Und schaut’ ich dann zuletzt vollbrachte
Thaten,
8101So war es ganz als hätt’ ich
nicht gerathen.
∞Thales
8102Und doch, o Greis des Meers, vertraut man dir,
8103Du bist der Weise, treib’ uns
nicht von hier!
8104Schau diese Flamme, menschenähnlich zwar,
8105Sie deinem Rath ergiebt sich ganz und gar.
∞Nereus
8106Was Rath! Hat Rath bey Menschen je gegolten?
8107Ein kluges Wort erstarrt im harten Ohr.
8108So oft auch That sich grimmig selbst gescholten,
8109Bleibt doch das Volk selbstwillig wie zuvor.
8110Wie hab’ ich Paris väterlich gewarnt,
8111Eh’ sein Gelüst ein fremdes Weib
umgarnt.
8112Am griechischen Ufer stand er kühnlich da,
8113Ihm kündet ich was ich im Geiste sah:
8114Die Lüfte qualmend, überströmend Roth,
8115Gebälke glühend, unten Mord und Tod:
8116Troja’s Gerichtstag, rhythmisch festgebannt,
8117Jahrtausenden so schrecklich als gekannt.
8118Des Alten Wort dem Frechen schien’s ein Spiel,
8119Er folgte seiner Lust und Ilion fiel –
8120Ein Riesenleichnam, starr nach langer Quaal,
8121Des Pindus Adlern gar willkommnes Mahl.
8122Ulyssen auch! sagt’ ich ihm nicht
voraus
8123Der Circe Listen, des Cyclopen Graus?
8124Das Zaudern sein, der Seinen leichten Sinn,
8125Und was nicht alles! bracht ihm das Gewinn?
8126Bis vielgeschaukelt ihn, doch spät genug,
8127Der Woge Gunst an gastlich Ufer trug.
∞Thales
8128Dem weisen Mann giebt solch Betragen Quaal,
8129Der gute doch versucht es noch einmal.
8130Ein Quentchen Danks wird, hoch ihn zu vergnügen,
8131Die Centner Undanks völlig überwiegen.
8132Denn nichts Geringes haben wir zu flehn:
8133Der Knabe da wünscht weislich zu entstehn.
∞Nereus
8134Verderbt mir nicht den seltensten Humor!
8135Ganz andres steht mir heute noch bevor.
8136Die Töchter hab’ ich alle herbeschieden,
8137Die Grazien des Meeres, die Doriden.
8138Nicht der Olymp, nicht euer Boden trägt
8139Ein schön Gebild das sich so zierlich regt.
8140Sie werfen sich, anmuthigster Gebärde,
8141Vom Wasserdrachen auf Neptunus Pferde,
8142Dem Element aufs zarteste vereint,
8143Daß selbst der Schaum sie noch zu heben scheint.
∞entfernt sich gegen das Meer
∞Thales
8154Wir haben nichts durch diesen Schritt gewonnen,
8155Trifft man auch Proteus, gleich ist er zerronnen;
8156Und steht er euch, so sagt er nur zuletzt
8157Was Staunen macht und in Verwirrung setzt.
8158Du bist einmal bedürftig solchen Raths,
8159Versuchen wirs und wandlen unsres Pfads!
∞entfernen sich
∞
Sirenen
∞
Sirenen
∞
Sirenen
∞
Sirenen
∞
Sirenen
8212Die Helden des Alterthums
8213Ermangeln des Ruhms,
8214Wo und wie er auch prangt;
8215Wenn sie das goldne Vließ erlangt,
8216Ihr die Kabiren.
∞wiederholt als Allgesang
∞
Homunkulus
8219Die Ungestalten seh ich an
8220Als irden-schlechte Töpfe,
8221Nun stoßen sich die Weisen dran
8222Und brechen harte Köpfe.
∞Thales
8228Den alten Scherz verzeih’ ich
dir;
8229Doch, einem Freund nicht eitle Worte!
8230Ich weiß du sprichst vom falschen Orte.
∞Thales
∞leise zu
Homunkulus
8231Er ist ganz nah. Nun leuchte frisch,
8232Er ist neugierig wie ein Fisch;
8233Und wo er auch gestaltet stockt,
8234Durch Flammen wird er hergelockt.
∞
Homunkulus
8235Ergieß’ ich gleich des Lichtes
Menge,
8236Bescheiden doch, daß ich das Glas nicht sprenge.
∞Thales
∞den Homunkulus
verhüllend
8238Gut! Wenn du Lust hast kannst dus näher sehn.
8239Die kleine Mühe laß dich nicht verdrießen,
8240Und zeige dich auf menschlich beiden Füßen.
8241Mit unsern Gunsten seys, mit unserm Willen!
8242Wer schauen will was wir verhüllen.
∞hat den Homunkulus enthüllt
∞Thales
8246Es fragt um Rath, und möchte gern entstehn.
8247Er ist, wie ich von ihm vernommen,
8248Gar wundersam nur halb zur Welt gekommen.
8249Ihm fehlt es nicht an geistigen Eigenschaften,
8250Doch gar zu sehr am greiflich Tüchtighaften.
8251Bis jetzt giebt ihm das Glas allein Gewicht,
8252Doch wär’
er gern zunächst verkörperlicht.
∞Thales
∞leise
8255Auch scheint es mir von andrer Seite kritisch,
8256Er ist, mich dünkt, hermaphroditisch.
∞Proteus
8257Da muß es desto eher glücken,
8258So wie er anlangt wird sichs schicken.
8259Doch gilt es hier nicht viel Besinnen,
8260Im weiten Meere mußt du anbeginnen!
8261Da fängt man erst im Kleinen an
8262Und freut sich Kleinste zu verschlingen,
8263Man wächst so nach und nach heran,
8264Und bildet sich zu höherem Vollbringen.
∞
∞Chor
8275Wir haben den Dreyzack Neptunen geschmiedet
8276Womit er die regesten Wellen begütet.
8277Entfaltet der Donnrer die Wolken die vollen,
8278Entgegnet Neptunus dem gräulichen Rollen;
8279Und wie auch von oben es zackig erblitzt,
8280Wird Woge nach Woge von unten gespritzt;
8281Und was auch dazwischen in Ängsten gerungen
8282Wird, lange geschleudert, vom Tiefsten verschlungen;
8283Weshalb er uns heute den Scepter gereicht,
8284Nun schweben wir festlich,
beruhigt und leicht.
∞Sirenen
∞Telchinen
8289Alllieblichste Göttin am Bogen da droben
8290Du hörst mit Entzücken den Bruder beloben.
8291Der seligen Rhodus verleihst du ein Ohr,
8292Dort steigt ihm ein ewiger Päan hervor.
8293Beginnt er den Tagslauf und ist es gethan,
8294Er blickt uns mit feurigem Strahlenblick an.
8295Die Berge, die Städte, die Ufer, die Welle,
8296Gefallen dem Gotte, sind lieblich und helle.
8297Kein Nebel umschwebt uns, und schleicht er sich ein,
8298Ein Strahl und ein Lüftchen, die Insel ist rein! 8298 Lüftchen, die ] 2 II H.74 Lüftchen und die 2 H (II aa)
8299Da schaut sich der Hohe in hundert Gebilden,
8300Als Jüngling, als Riesen, den großen, den milden.
8301Wir ersten wir waren’s, die
Göttergewalt
8302Aufstellten in würdiger Menschengestalt.
∞Proteus
8303Laß du sie singen, laß sie
prahlen!
8304Der Sonne heiligen Lebestrahlen
8305Sind todte Werke nur ein
Spaß.
8306Das bildet, schmelzend, unverdrossen;
8307Und haben sie’s in Erz gegossen
8308Dann denken sie es wäre was.
8309Was ist’s zuletzt mit diesen Stolzen?
8310Die Götterbilder standen groß, –
8311Zerstörte sie ein Erdestoß;
8312Längst sind sie wieder eingeschmolzen.
8313Das Erdetreiben, wie’s auch
sey,
8314Ist immer doch nur Plackerey;
8315Dem Leben frommt die Welle besser;
8316Dich trägt ins ewige Gewässer
8317Proteus-Delphin.
∞er verwandelt sich.
8317Schon
ists gethan!
8318Da soll es dir zum schönsten glücken,
8319Ich nehme dich auf meinen Rücken
8320Vermähle dich dem Ocean.
∞Thales
8321Gieb nach dem löblichen Verlangen
8322Von vorn die Schöpfung anzufangen,
8323Zu raschem Wirken sey bereit!
8324Da regst du dich nach ewigen Normen,
8325Durch tausend abertausend Formen,
8326Und bis zum Menschen hast du Zeit.
∞
Homunkulus besteigt den Proteus-Delphin
∞Proteus
8327Komm geistig mit in feuchte Weite,
8328Da lebst du gleich in Läng’ und
Breite,
8329Beliebig regest du dich hier;
8330Nur strebe nicht nach höheren Orden,
8332Dann ist es völlig aus mit dir.
∞Proteus
∞zu Thales
8335So einer wohl von deinem Schlag!
8336Das hält noch eine Weile nach;
8337Denn unter bleichen Geisterschaaren
8338Seh’ ich dich schon seit vielen hundert
Jahren.
∞Nereus
∞zu Thales tretend
8347Nennte wohl ein nächtiger Wanderer
8348Diesen Mondhof Lufterscheinung;
8349Doch wir Geister sind ganz anderer
8350Und der einzig richtigen Meynung.
8351Tauben sind es, die begleiten
8353Wunderflugs besondrer Art,
8354Angelernt vor alten Zeiten.
∞Thales
8355Auch ich halte das fürs Beste
8356Was dem wackern Mann gefällt,
8357Wenn im stillen warmen Neste
8358Sich ein Heiliges lebend hält.
∞auf Meerstieren, Meerkälbern und Widdern
8359In Cyperns rauhen Höhle-Grüften,
8360Vom Meergott nicht verschüttet,
8361Vom Seismos nicht zerrüttet,
8362Umweht von ewigen Lüften,
8363Und, wie in den ältesten Tagen,
8364In still-bewußtem Behagen,
8365Bewahren wir Cypriens Wagen,
8366Und führen, beym Säuseln der Nächte,
8367Durch liebliches Wellengeflechte,
8368Unsichtbar dem neuen Geschlechte,
8369Die lieblichste Tochter heran.
8370Wir leise Geschäftigen scheuen
8371Weder Adler noch geflügelten Leuen,
8372Weder Kreuz noch Mond,
8373Wie es oben wohnt und trohnt,
8374Sich wechselnd wägt und regt,8374 wägt und regt ] 2 H regt 2 II H.71 regt und wagt G 2 II H.69
wägt und trägt (Hörfehler) : wägt und regt
G
2 II H.70
(VII)
8375Sich vertreibt und todtschlägt,
8376
Saaten und Städte niederlegt.
8377Wir, so fortan,
8378Bringen die lieblichste Herrin heran.
∞Sirenen
8379Leicht bewegt, in mäßiger Eile,
8380Um den Wagen, Kreis um Kreis,
8381Bald verschlungen Zeil’ an
Zeile
8382Schlangenartig reihenweis,
8383Naht euch rüstige Nereiden,
8384Derbe Frau’n, gefällig wild,
8385Bringet, zärtliche
Doriden,
8386Galatee der Mutter Bild:
8387Ernst, den Göttern gleich
zu schauen,
8388Würdiger Unsterblichkeit,
8389Doch wie holde Menschenfrauen
8390Lockender Anmuthigkeit.
∞Doriden
8391Leih uns Luna Licht und Schatten,
8392Klarheit diesem Jugendflor;
8393Denn wir zeigen liebe Gatten
8394Unserm Vater bittend vor.
∞zu Nereus
8395Knaben sinds die wir gerettet,
8396Aus der Brandung
grimmem Zahn,
8397Sie, auf Schilf und Moos gebettet,
8398Aufgewärmt zum Licht heran,
8399Die es nun mit heißen Küssen
8400Treulich uns verdanken müssen;
8401Schau’ die Holden günstig an!
∞Doriden
∞Nereus
8408Mög’t euch des schönen Fanges freuen,
8409Den Jüngling bildet euch als Mann;
8410Allein ich könnte nicht verleihen
8411Was Zeus allein gewähren kann.
8412Die Welle, die euch wogt und schaukelt,
8413Läßt auch der Liebe nicht Bestand,
8414Und hat die Neigung ausgegaukelt
8415So setzt gemächlich sie ans Land.
∞Doriden
∞Die Jünglinge
∞Galatee auf dem Muschelwagen nähert sich
∞Nereus
8426Vorüber schon, sie ziehen vorüber
8427In kreisenden Schwunges Bewegung;
8428Was kümmert sie die innre herzliche Regung!
8429Ach! nähmen sie mich mit hinüber!
8430Doch ein einziger Blick ergötzt
8431Daß er das ganze Jahr ersetzt.
∞Thales
8432Heil! Heil! aufs neue!
8433Wie ich mich blühend freue,
8434Vom Schönen, Wahren durchdrungen . . .
8435Alles ist aus dem Wasser entsprungen!!
8436Alles wird durch das Wasser erhalten!
8437Ocean gönn’ uns dein ewiges Walten.
8438Wenn du nicht Wolken sendetest,
8439Nicht reiche Bäche spendetest,
8440Hin und her nicht Flüsse wendetest,
8441Die Ströme nicht vollendetest;
8442Was wären Gebirge, was Ebnen und Welt?
8443Du bist’s der das frischeste Leben erhält.
∞Nereus
8445Sie kehren schwankend fern zurück,
8446Bringen nicht mehr Blick zu Blick;
8447In gedehnten Kettenkreisen
8448Sich festgemäß zu erweisen,
8449Windet sich die unzählige Schaar.
8450Aber Galatees Muschelthron8450 Galatees ] 2 H Galatee’ns vorschl Ri verw zS Galateas zS 2 H (VII)
8451Seh’ ich schon und aber
schon.
8452Er glänzt wie ein Stern
8453Durch die Menge;
8454Geliebtes leuchtet durch’s
Gedränge,
8455Auch noch so fern
8456Schimmert’s hell und klar,
8457Immer nah und wahr.
∞
Homunkulus
∞Nereus
8464Welch neues Geheimniß in Mitte der Schaaren
8465Will unseren Augen sich offengebahren?
8466Was flammt um die Muschel um Galatees Füße?
8467Bald lodert es mächtig, bald lieblich und süße,8467 und ] 2 II H.73 und G
2 II H.72
2 II H.73 bald 2 H (II aa)
8468Als wär’ es von Pulsen der Liebe gerührt?
∞Thales
8469Homunkulus ist es, von Proteus verführt . . .
8470Es sind die Symptome des herrischen Sehnens,
8471Mir ahnet das Ächzen beängsteten Dröhnens;
8472Er wird sich zerschellen am glänzenden Thron;
8473Jetzt flammt es, nun blitzt es, ergießet sich schon.
∞Sirenen
8474Welch feuriges Wunder verklärt uns die Wellen,
8475Die gegen einander sich funkelnd zerschellen?
8476So leuchtet’s und schwanket
und hellet hinan:
8477Die Körper sie glühen auf nächtlicher Bahn,
8478Und ringsum ist alles vom Feuer umronnen; 8478 ringsum ] 2 II H.73 rings um G 2 II H.69 ringsum 2 II H.73 rings 2 H (II aa)
8479So herrsche denn Eros der alles begonnen!