∞Marthens Garten
∞Margarete.
Faust
∞Faust
3418Laß das, mein Kind! du fühlst, ich bin dir gut;
3420Will niemand sein Gefühl und seine Kirche rauben.
∞Margarete
3422Ach! wenn ich etwas auf dich könnte!
3423Du ehrst auch nicht die heil’gen Sacramente.
∞Margarete
3424Doch ohne Verlangen.
3425Zur Messe, zur Beichte bist du lange nicht gegangen.
3426Glaubst du an Gott?
∞Faust
3426Mein Liebchen, wer darf sagen,
3427Ich glaub’ an Gott?
3428Magst Priester oder Weise fragen,
3429Und ihre Antwort scheint nur Spott
3430Über den Frager zu seyn.
∞Faust
3431Mißhör’ mich nicht, du holdes Angesicht!
3432Wer darf ihn nennen?
3433Und wer bekennen:
3434Ich glaub’ ihn.
3435Wer empfinden?
3436Und sich unterwinden
3437Zu sagen: ich glaub’ ihn nicht.
3438Der Allumfasser,
3439Der Allerhalter,
3440Faßt und erhält er nicht
3441Dich, mich, sich selbst?
3442Wölbt sich der Himmel nicht dadroben?
3443Liegt die Erde nicht hierunten fest?
3444Und steigen freundlich blickend
3445Ewige Sterne nicht herauf?
3446Schau’ ich nicht Aug’ in Auge dir,
3447Und drängt nicht alles
3448Nach Haupt und Herzen dir,
3449Und webt in ewigem Geheimniß
3450Unsichtbar sichtbar neben dir?
3451Erfüll’ davon dein Herz, so groß es ist,
3452Und wenn du ganz in dem Gefühle selig bist,
3453Nenn’ es dann wie du willst,
3454Nenn’s Glück! Herz! Liebe! Gott!
3455Ich habe keinen Nahmen
3457Name ist Schall und Rauch,
3458Umnebelnd Himmelsgluth.
∞Margarete
3459Das ist alles recht schön und gut;
3460Ungefähr sagt das der Pfarrer auch,
3461Nur mit ein Bißchen andern Worten.
∞Faust
3462Es sagen’s aller Orten
3463Alle Herzen unter dem himmlischen Tage,
3464Jedes in seiner Sprache;
3465Warum nicht ich in der meinen?
∞Margarete
3466Wenn man’s so hört, möcht’s leidlich scheinen,
3467Steht aber doch immer schief darum;
3468Denn du hast kein Christenthum.
∞Margarete
3471Der Mensch, den du da bey dir hast,
3472Ist mir in tiefer inn’rer Seele verhaßt:
3473Es hat mir in meinem Leben
3474So nichts einen Stich in’s Herz gegeben,
3475Als des Menschen widrig Gesicht.
∞Margarete
3477Seine Gegenwart bewegt mir das Blut.
3478Ich bin sonst allen Menschen gut;
3479Aber, wie ich mich sehne dich zu schauen,
3480Hab’ ich vor dem Menschen ein heimlich Grauen,
3481Und halt’ ihn für einen Schelm dazu!
3482Gott verzeih’ mir’s, wenn ich ihm Unrecht thu’!
∞Margarete
3484Wollte nicht mit seines Gleichen leben!
3485Kommt er einmal zur Thür herein,
3486Sieht er immer so spöttisch drein,
3487Und halb ergrimmt;
3488Man sieht, daß er an nichts keinen Antheil nimmt;
3489Es steht ihm an der Stirn’ geschrieben,
3490Daß er nicht mag eine Seele lieben.
3491Mir wird’s so wohl in deinem Arm,
3492So frey, so hingegeben warm,
3493Und seine Gegenwart schnürt mir das Inn’re zu.
∞Margarete
3495Das übermannt mich so sehr,
3496Daß, wo er nur mag zu uns treten,
3497Meyn’ ich sogar, ich liebte dich nicht mehr.3497 Meyn’ ] A Meyn 1 H.5 Mein’ S Mein’ B B.a (IV a)3497 liebte dich ] A B B.a liebte dich 1 H.5 liebte dich S (II a*)
3498Auch wenn er da ist, könnt’ ich nimmer beten,
3499Und das frißt mir in’s Herz hinein;
3500Dir, Heinrich, muß es auch so seyn.
∞Faust
3502Ach kann ich nie
3503Ein Stündchen ruhig dir am Busen hängen,
3504Und Brust an Brust und Seel’ in Seele drängen?
∞Margarete
3505Ach wenn ich nur alleine schlief!
3506Ich ließ dir gern heut Nacht den Riegel offen;
3507Doch meine Mutter schläft nicht tief,
3508Und würden wir von ihr betroffen,
3509Ich wär’ gleich auf der Stelle todt!
∞Faust
3510Du Engel, das hat keine Noth.
3511Hier ist ein Fläschchen! Drey Tropfen nur
3512In ihren Trank umhüllen
3513Mit tiefem Schlaf gefällig die Natur.
∞Margarete
3517Seh’ ich dich, bester Mann, nur an,
3518Weiß nicht was mich nach deinem Willen treibt,
3519Ich habe schon so viel für dich gethan,
3520Daß mir zu thun fast nichts mehr übrig bleibt.
∞ab
∞
Mephistopheles tritt auf
∞Mephistopheles
3522Ich hab’s ausführlich wohl vernommen.
3523Herr Doctor wurden da katechisirt;
3524Hoff’ es soll Ihnen wohl bekommen.
3525Die Mädels sind doch sehr interessirt,
3526Ob einer fromm und schlicht nach altem Brauch.
3527Sie denken, duckt er da, folgt er uns eben auch.
∞Faust
3528Du Ungeheuer siehst nicht ein,
3529Wie diese treue liebe Seele
3530Von ihrem Glauben voll,
3531Der ganz allein
3532Ihr selig machend ist, sich heilig quäle,
3533Daß sie den liebsten Mann verloren halten soll.