Anhand von Wasserzeichen können Hypothesen zu Handschriftendatierungen überprüft werden: Ein Vergleich genutzter Papiere lässt Rückschlüsse auf die Entstehungsbedingungen des Werks zu; bei der Rekonstruktion historischer Konvolutstrukturen von Handschriften etwa können Wasserzeichen wichtige Hinweise liefern.

Im Fall eines so umfangreichen Korpus wie dem von Goethes „Faust“ eröffnen sich für den Nutzer der Ausgabe mit der Bereitstellung von Informationen zu Wasserzeichen neue Möglichkeiten der genetischen Analyse. Neben den inzwischen in einer historisch-kritischen Edition nicht mehr wegzudenkenden Wasserzeicheninformationen werden in dieser Ausgabe auch Wasserzeichenaufnahmen zur Verfügung gestellt. Aufgrund der Menge an überlieferten Handschriften konnte dies nur in Auswahl geschehen, prototypisch wurde das im Goethe- und Schiller-Archiv Weimar (GSA) befindliche Handschriftenmaterial zum „Faust“ aus der frühen Zeit (bis 1808) hierfür herangezogen. Es konnten aus Gründen des Bestandsschutzes nur Handschriften in ungebundener Form berücksichtigt werden, Konvolute wurden ausgeschieden.

Bei den ausgewählten Handschriften handelt es sich um folgende 42 (Angabe der Signaturen): GSA 25/W 1360GSA 25/W 1361GSA 25/W 1362GSA 25/W 1371GSA 25/W 1374GSA 25/W 1375GSA 25/W 1376GSA 25/W 1377GSA 25/W 1378GSA 25/W 1380GSA 25/W 1383GSA 25/W 1386GSA 25/W 1387GSA 25/W 1389GSA 25/W 1390GSA 25/W 1391, GSA 25/W 1392GSA 25/W 1393GSA 25/W 1394GSA 25/W 1395GSA 25/W 1397GSA 25/W 1399GSA 25/W 1400GSA 25/W 1418GSA 25/W 1493GSA 25/W 1579GSA 25/W 1588GSA 25/W 1589GSA 25/W 1699GSA 25/W 1742GSA 25/W 1743GSA 25/W 1744GSA 25/W 1745, GSA 25/W 1747GSA 25/W 1748GSA 25/W 1749GSA 25/W 1751GSA 25/W 1752GSA 25/W 1754GSA 25/W 1755GSA 25/W 1756 und GSA 25/W 1757.

zu den Wasserzeichenaufnahmen

Vorgehensweise

Anfertigung von Auf- und Durchlichtaufnahmen

Es wurden hochauflösende Auf- und Durchlichtaufnahmen (mind. 300 dpi) der einzelnen Handschriftenblätter angefertigt. Dies geschah in oktagonaler Anordnung, Kamera- und Objektebene durften nicht verkantet sein. Es wurde stets die gesamte Seite eines Handschriftenblatts (Einzel- wie auch Doppelblatt) aufgenommen. Beleuchtet wurden die Objekte von unten mittels Leuchttisch. Als Vorderseite wurde in der Regel die Handschriftenseite gewählt, wo das Wasserzeichen klar 'von vorn' zu erkennen ist, die Beschriftungsreihenfolge und -anordnung spielte hingegen keine Rolle.

Es fanden zwei Probeläufe am 8. März 2013 statt. Der erste Durchgang erfolgte mit der Handschrift 2 III H.10 (Signatur GSA 25/W 1589). Folgende Einstellungen wurden hintereinander ausprobiert:

  • Automatik: ISO 200, Blende F 4, Belichtungszeit 1/250

  • gleiche Einstellungen mit ISO 400

  • ISO 800, Blende F 2.8, Belichtungszeit 1/800

Ein zweiter Probelauf mit derselben Handschrift erfolgte unter folgenden Bedingungen (Tabelle 1):

Tabelle 1
Aufnahmeart Automatik (A) oder Manuell (M) ISO Blende Belichtungszeit Dateiname Anmerkungen
Auflicht A F 4 1/250 DSC 0024
Auflicht M 800 F 2.8 1/500 DSC 0025 Streifigkeit
Auflicht M 100 F 16 1/2 DSC 0026 Gute Qualität
Auflicht M 100 F 2.8 1/60 DSC 0027 Gute Qualität
Durchlicht A F 4 1/250 DSC 0028
Durchlicht M 800 F 2.8 DSC 0029
Durchlicht M 100 F 16 1/2 DSC 0030
Durchlicht M 100 F 2.8 1/50 DSC 0031

Die Dateien DSC 0026 und 0027 verfügten also bei den Auflichtaufnahmen über die beste Qualität.

Nach den zwei Probeläufen wurde ein Paket von zehn Handschriften aufgenommen. Die dazugehörigen Daten und Kriterien sind Tabelle 2 zu entnehmen:

Tabelle 2
Signatur der Handschrift Papiertyp Auflichtaufnahme Durchlichtaufnahme
Automatik (A) oder Manuell (M) ISO
GSA 25/W 1589 Konzept M 100
GSA 25/W 1362 Konzept M 100
GSA 25/W 1742 Schreib M 100
GSA 25/W 1374 Schreib M 100
GSA 25/W 1376 Schreib M 100
GSA 25/W 1392 Schreib M 100
GSA 25/W 1752 Schreib M 100
GSA 25/W 1757 Schreib M 100
GSA 25/W 1360 Konzept M 100
GSA 25/W 1375 Konzept M 100

Bei der Auflichtaufnahme wurde stets manuell die gleiche Einstellung vorgenommen; die Einstellung der Durchlichtaufnahme erfolgte in den meisten Fällen automatisch (daher ist hier in der Tabelle kein ISO-Wert benannt und es fehlen teilweise Blenden- und Belichtungszeitangabe). Die Blende stellt sich in der Regel auf einen Wert von 4 bzw. nahe 4 ein, bei manueller Einstellung sollte demnach F 4 eingestellt werden. Die Belichtungszeit liegt im Regelfall bei 1/250 Sekunde.

Es gab zwei abweichende Fälle: GSA 25/W 1360 und GSA 25/W 1375: Da es sich um zwei kleine Handschriften (Zettel) handelt, musste hier manuell eine andere Einstellung auch beim Durchlicht vorgenommen werden, da die Papierfläche für eine automatische Einstellung zu klein ist; bewährt hat sich vor allem der Wert von 1/50 Sekunde.

Bearbeitung der Aufnahmen mittels Subtraktion

Die Aufnahmen wurden mittels Subtraktionsverfahren bearbeitet und stehen in der Form in der Edition als TIFF und JPEG bereit. Unter Subtraktion ist das Herausrechnen der Beschriftung durch das Übereinanderlegen von einer Auf- und Durchlichtaufnahme desselben Blattes zu verstehen.

Bild 1: Subtraktionsergebnis der Handschrift 2 III H.10, Einzelblatt (Datei GSA_25-W_1589_wm_all_TL30_100.jpg)

Wichtig für die Subtraktion ist, dass Auf- und Durchlichtaufnahme deckungsgleich sind, Handschrift als auch Kamera dürfen sich nicht verschieben. Weiterhin ist zu berücksichtigen, dass die Beschriftung auf der Handschrift, die herausgerechnet werden soll, von oben fotografiert wurde.

Beim Übereinanderlegen einer Auf- und einer Durchlichtaufnahme zeigte sich, dass die Kombination DSC 0026 und DSC 0028 (s. Tabelle 1) das beste Ergebnis brachte (s. Bild 1).

Neben Aufnahmen ganzer Seiten wurden hier auch Detailansichten (Seitenausschnitte mit dem Wasserzeichen) bereitgestellt (s. Bild 2).

Bild 2: Detail aus Handschrift 2 III H.10, Einzelblatt (Datei GSA_25-W_1589_wm_detail_TL30_100.jpg)

Anfertigung von Durchzeichnungen

Außerdem wurden Durchzeichnungen – manuelle Wiedergaben der Wasserzeichen – angefertigt.

Bild 3: Durchzeichnung der Handschrift 2 III H.10, Einzelblatt (Datei GSA_25-W_1589_wm_hand_drawn_150.jpg)

Beschreibung der Wasserzeichen

Zu jedem Wasserzeichen erfolgte eine Beschreibung, und zwar nicht nur für diejenigen, zu denen Aufnahmen angefertigt wurden, sondern zu allen in der Edition versammelten Handschriften.

Benennungssystem der Wasserzeichendigitalisate

Die Dateinamen wurden als 'sprechende' semantisch gefüllt. So verraten sie zugleich wichtige Detailinformationen zu den Aufnahmebedingungen. Sie setzen sich wie folgt zusammen:

Den ersten Teil des Dateinamens bildet die Signaturangabe gemäß der in der Edition üblichen Schreibweise: GSA_25-W_…

Es folgt entweder die Abkürzung wm (für watermark) für die Kennzeichnung der Wasserzeichenaufnahmen oder hand_drawn für die manuell angefertigten Durchzeichnungen.

Sodann wird unterschieden in all (für die Aufnahme der gesamten Seite) und in detail für einen spezifischen Ausschnitt der Seite, auf dem das Wasserzeichen zu erkennen ist.

Wo notwendig, werden als ergänzende Information recto- (r) und verso-Angaben (v) bereitgestellt.

Gespiegelte Aufnahmen werden mit flipped gekennzeichnet.

Die dpi-Zahl wird im Dateinamen der JPEG-Bilder angetragen (da sie dort differieren kann), bei den TIFF-Dateien geschieht dies nicht, da alle über 300 dpi verfügen.

Die Zahl am Ende (100, 150) gibt den ISO-Wert (Lichtempfindlichkeit des Bildsensors) an.

Die Kombination TL und Zahl (28 bzw. 30) kommt nur bei der Handschrift GSA 25/W 1589 vor, die für die ersten Probeläufe verwendet wurde; TL steht für Durchlichtaufnahmen (transmitted light); die Zahl zeigt an, welche der Durchlichtdateien der Subtraktion zugrunde lag.

Kooperationspartner

An der Reproduktion der Wasserzeichen, ihrer Bearbeitung und Beschreibung waren mehrere Institutionen und Personen beteiligt: Das GSA stellte die Handschriften bereit sowie die Technik und Räumlichkeiten, Carmen Knickmeier, Mitarbeiterin des GSA, übernahm die Auf- und Durchlichtaufnahmen. Dr. Georg Dietz (PAPIERSTRUKTUR, Dresden) gab Expertise bei den Aufnahmen, bearbeitete die Bilder und fertigte die Durchzeichnungen der Wasserzeichen an. Das Team der Papierhistorischen Sammlungen des Deutschen Buch- und Schriftmuseums der Deutschen Nationalbibliothek Leipzig wirkte beratend beim Projekt mit (ein gemeinsames Treffen erfolgte am 30. Januar 2013 in Leipzig); Andrea Lothe, dortige Mitarbeiterin, half bei der Identifizierung der Papiere und fertigte die Beschreibung der Wasserzeichen an. Finanziert wurden die Aufnahmen und ihre Bearbeitung vom Lehrstuhl für Computerphilologie und Neuere Deutsche Literaturgeschichte (Prof. Dr. Fotis Jannidis) der Universität Würzburg.

Ausblick

Die Bereitstellung von Wasserzeichenaufnahmen soll exemplarisch aufzeigen, welche Interpretationsmöglichkeiten sich mit der Einbindung dieser Materialien in eine digitale Edition für den Nutzer bieten. Eine systematische Wasserzeichenanalyse konkret von „Faust“- wie generell von Goethe-Papieren steht indes noch aus. Sie kann auf zahlreiche grundlegende Vorarbeiten, maßgeblich der Akademie-Ausgabe, den 1910 begonnenen Wasserzeichenkatalog in Weimar (Goethe-Nationalmuseum) und dessen Weiterführung durch Gerhard Femmel sowie auf Einzelstudien, maßgeblich von David Lee, aufbauen.