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23. 5. 1832

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Eckermann an J. F. Cotta (Tewes 281–283; Entwurf)1:

[ QuZ Nr. III-5: Sehr bald nach Goethes Scheiden und nachdem man sich ein wenig gefaßt hatte und zu einer näheren Durchsicht seiner nachgelassenen literarischen Schätze kam, war es natürlich daß man an Sie als den wahrscheinlichen Herausgeber dieser Fortsetzung der Goetheschen Werke dachte. Es war von ihnen wiederholt die Rede, wo es denn immer hieß: „Sie kämen persönlich auf Ihrer Durchreise nach der Leipziger Messe.“ Herr Geheimerath v. Müller versicherte, daß Sie ihm so geschrieben und so erwarteten wir täglich Ihre Ankunft, und es unterblieb eine Mittheilung meinerseits, die auf einen Wink von Ihnen sogleich würde erfolgt seyn . . . Zum wenigsten wird der literarische Nachlaß als Fortsetzung der Goetheschen Werke 15. Bände füllen, und es findet sich darunter nichts was nicht des großen Meisters würdig wäre. Der zweyte Theil des Faust in 5. Acten ist wohl das Bedeutendste. Er ward im July 1831. vollendet, und nachdem Goethe im Laufe des vorigen Winters noch hie und da einige Kleinigkeiten verbessert, hat er das Werk für fertig erklärt2. Ich habe nun für den Druck eine Abschrift machen lassen3, die auch bereits geheftet daliegt und die ich nun revidire. Dieser zweyte Theil bildet einen Band von 3. bis 400. Seiten . . . Sodann ist ein 4.r Theil aus seinem Leben merkwürdig, indem er aus seiner Jugendzeit den letzten Aufenthalt in seiner Heimath in den Jahren 1774 und 1775 vor 24seiner Abreise an den Weimarischen Hof umfasset. Neben großen Ansichten über die höchsten Interessen der Menschheit, bey Gelegenheit von Spinoza und der Entstehung des Egmont ausgesprochen, schlinget sich durch alle 5. Bücher dieses Theiles seine Liebe zu Lili, wodurch das Ganze den Character des Romanes erhält. Auch dieses vortreffliche Werk ist fast ganz vollendet und sind nur hie und da noch einige kleine Incongruitäten ins Gleiche zu bringen, welches ich mit Goethe mündlich besprochen1 und mein nächstes Geschäft seyn soll2. Da der Verewigte mich zum Herausgeber seines literarischen Nachlasses ernannt3 und mir nicht bloß die Redaction der einzelnen Bände, sondern auch die Bestimmung der Folge derselben übertragen hat4, so denke ich den Faust an die Spitze der ersten, und diesen 4.n Theil seines Lebens an die Spitze der zweyten Lieferung5 zu stellen.

Es würde zu weit führen wenn ich in diesem Detail von jedem der übrigen Bände des Goetheschen Nachlasses reden wollte und ich will mich beschränken solche nur im allgemeinen nahmhaft zu machen.

Es wird also außer dem genannten noch zum Druck redigirt und fertig gemacht werden:

1., Das erste Manuscript von Götz von Berlichingen, das Goethe an Herder sandte und noch ganz in seiner ursprünglichen Gestalt da ist.

2., Götz von Berlichingen für die Bühne.

3., Ein bis Zwey Bände noch ungedruckter älterer und neuerer Gedichte.

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4., Ein Band über deutsche Literatur.

5., „ „ „ auswärtige „

6., „ „ „ Kunst.

7., Zwey Bände vermischter Aufsätze und Biographischer Einzelnheiten.

8., Schweizerreise von 1797. und Verwandtes.

9., Sodann alles Naturwissenschaftliche:

Die Farbenlehre neu überarbeitet.

Die Pflanzenlehre bedeutend erweitert.

Zur Osteologie.

Meteorologie.

Mineralogie und Geologie.

Naturwissenschaften im Allgemeinen, welche bedeutende Vorräthe 6 bis 7. Bände geben werden.

Da Goethe in seinen Naturwissenschaftlichen Arbeiten die größten Ansichten niedergelegt hat, so wird das Publicum glücklich seyn, solche an die Reihe seiner übrigen Schriften angeschlossen zu sehen, und für ein Weniges zum Besitz solcher Schätze zu gelangen, von denen es bisher kaum die Nahmen kannte.

Dieß wäre nun das Wesentlichste was ich Euer Hochwohlgeb. über Goethes Nachlaß mitzutheilen hätte. Ich füge noch hinzu daß ich mit der Redaction der ersten 5. Bände in 2. Monaten fertig seyn kann und mit der der folgenden 2. Lieferungen jedesmal in 6. Monaten. Es könnte also die erste Lieferung Michaeli, die zweyte Ostern und die dritte Michaeli nächsten Jahres erscheinen; insofern es mich betrifft und von mir abhängt1. Ob aber ein so bedeutendes Unternehmen keine größeren Vorbereitungen erfordere vermag ich nicht zu bestimmen. Auch bemerke ich, daß die pecuniären Verhandlungen mit dem Herrn Verleger den Goetheschen Vormündern: Hrn. v. Waldungen und Hofadvocat Büttner, so wie besonders dem Executor des Testaments, Herrn Geh. R. v. Müller übertragen sind. ]