10/3102. An Friedrich Schiller
Mir ist sehr erfreulich daß Sie mit meinem Prologus im Ganzen und im Hauptpunckte nicht unzufrieden sind; mehr als diesen kann ich aber fürs erste Stück nicht liefern. Ich will ihn noch einmal durchgehen, dem Geh. Rath und Louisen Sordinen auflegen und Carlen vielleicht noch ein Forte geben, so wirds ja wohl ins gleiche kommen. Ihr historischer Aufsatz wird dem Stücke gewiß wohlthun, es gewinnt an erwünschter Manigfaltigkeit. Ins zweyte Stück hoffe ich die Erzählung zu bringen, überhaupt gedencke ich aber wie die Erzählerinn in der Tausend und Einen Nacht zu verfahren. Ich freue mich Ihre Anmerckungen sogleich zu nutzen und dadurch neues Leben in diese Composition zu bringen. Die gleiche Wohlthat hoffe ich für den Roman. Lassen Sie mich nur nicht lange auf die Fortsetzung Ihrer Briefe warten.
[ Gräf Nr. 902: Von Faust kann ich jetzt nichts mittheilen, ich wage nicht das Packet aufzuschnüren das ihn gefangen hält. Ich könnte nicht abschreiben ohne auszuarbeiten und dazu fühle ich mir keinen Muth. Kann mich künftig etwas dazu vermögen; so ist es gewiß Ihre Theilnahme. ]
Daß Herr v. Humbold mit unsern homerischen Unterhaltungen zufrieden ist, beruhigt mich sehr, denn ich habe mich nicht ohne Sorge dazu entschlossen. Ein gemeinsamer Genuß hat so große Reize und doch wird er so oft durch die Verschiedenheit der Theilnehmer gestört. Biß jetzt hat noch immer ein guter Genius über unsere Stunden gewacht. Es wäre recht schön wenn wir auch einmal einige Bücher zusammen genößen.
Leben Sie recht wohl und lassen mich nicht ferne von Sich und den Ihrigen seyn.
W. d. 2. Dec. 1794.
Goethe.