(C. G. Küttner. Basel, 11. Mai 1777.)
Was soll ich Ihnen nun von Hn. Burkardt sagen, wie für die wonnigen Stunden danken, die Sie ihm gemacht haben? Er ging mit Vorurtheilen, die ich ihm nie ganz nehmen konnte, nach Weimar und er kömmt mit einem Himmel im Herzen zurück. Von keinem Ort seiner Reise 393hat er mir so innig, so herzlich, so warm geschrieben als von Weimar. Er hat versprochen, auf seiner Rückreise noch einmal nach W. zu kommen und er ist fest entschlossen, sein Wort zu halten. Dass ich all das Gute, was er mir sagt, gern glaube, ach, Besster! das können Sie sich vorstellen, das kann der fühlen, der auch bey Ihnen in Wohlseyn und Wonne etliche Tage zubrachte und alles um sich her schwinden sah, lange ohne Eckel keinen Genuss kannte, da er sich nicht mehr von den Lieben umgeben sah, die keine Ritze seines Herzens ungefüllt liessen. – Letzthin hab ich wieder einmal 8 Tage gelebt und alles um mich her mit Wohlgefallen angesehn, weil ich mit dem lebte, der alles mir werth machen konnte. Lenz war hier; wir lernten uns bald kennen und, einige Mahlzeiten ausgenommen, die er in der Stadt that und einige Visiten, die er machen musste, haben wir uns keinen Augenblick getrennt. Ich war gerade so ganz frey, dass ich über jede meiner Stunden gebieten konnte. Lenz ist mir lieber geworden, als er mir je war; ich habe himmlische, noch ungekannte Züge in ihm entdeckt, die ihn auf immer mir werth machen. Aber ich habe nicht in ihm den Jüngling gefunden, nicht das Ideal, das ich mir aus den ersten seiner Werke von ihm gemacht hatte; ich vermuthete einen starken, kraftvollen Menschen und ich fand einen duldenden, liebevollen. Ich habe mit Erstaunen an ihm gesehn, wie er eine Menge Dinge um sich her tragen kann, die ich nicht ohne Verdruss und Bitterkeit sehe; er spricht von vielen Dingen mit Schonung, die ich nicht mit Gelassenheit nennen kann. Aber was sag ich das Ihnen? Er hat so viele Monate mit Ihnen gelebt. Er ist vergangene Woche nach Zürich gegangen und auf den Montag denk ich ihn in Schinznach zu treffen, wo die Versammlung der sogenannten helvetischen Gesellschaft sein wird. Von dort geht Lenz ins pays de Vaud ...... Schreiben Sie mir, was Goethe und Wieland treiben. [ Gräf Nr. 859A: Erzählen 394Sie mir ja einiges von Goethe, ich bitte Sie und will Ihnen danken mit allem was ich vermag. Hr. Burkhardt hat ihn nur wenig gesehn, das that mir sehr leid. Erinnern Sie ihn auch wieder an mich, vielleicht dass er mich nicht vergessen hat .. Von Goethens Faust hab’ ich nichts wieder gehört, seit ich von Weimar weg bin; ich wünschte wohl einige Nachricht davon. ]
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