VIII.
Weimar d. 19. Febr. 1829.
Wie danke ich Ihnen, lieber, guter Holtei, für Ihr Vertrauen, das Sie seltsam nennen, das ich aber so natürlich und für mich wahrhaft ehrend finde. Auch danke ich Ihnen herzlich, daß Sie in dieser Angelegenheit, von deren Entscheidung denn doch nicht nur Ihre Zukunft, sondern die eines liebenswürdigen Mädchens abhängt, meinen Rath nicht verlangen. Ihr Herz und Ihr Kopf müssen hier Ihre einzigen Rathgeber sein und bleiben, und mit beiden ist es Gottlob so gut bestellt, daß sie vereint Sie unmöglich irre führen können. Sehr begierig bin ich auf Ihren nächsten Brief, der mir wahrscheinlich von der Entscheidung Ihres Geschickes, auch in Hinsicht auf das Königsstädter Theater, Kunde bringen wird. Ihre 45Verlegenheit, Ihr Streben einer Anstellung auszuweichen, der hundert Andere mit Kratzfüßen nachlaufen würden, hat etwas rein Komisches. Entgehen werden Sie Ihrem Schicksal nicht, das sage ich Ihnen im Voraus; aber Sie sind auf dem rechten Wege es sich nach Wunsche zu gestalten. Vergessen Sie nur nicht, sich für alle Sommer den nöthigen Urlaub auszubedingen, um Ihr liebes Vaterland, oder auch den Rhein besuchen zu können, das bitte ich sehr.
Wie gut kennen Sie mich! Wie so ganz haben Sie mein Schweigen über ein Gerücht verstanden, das freilich auch mir von allen Seiten zugetragen wurde. Ich wußte ja, daß Sie mir Alles sagen würden, sobald Sie selbst mir etwas zu sagen hätten. Neugier ist nicht Freundschaft und von jeher war mir nichts verhaßter als jene zudringlichen Freunde, die da wollen, man soll ihnen Dinge vertrauen, über die man mit sich selbst noch nicht im Klaren ist, die man sich selbst kaum gesteht. Daß Niemand herzlicheren Antheil nimmt an Allem, was Ihnen widerfährt, als ich, das wissen Sie, wie ich von Ihnen weiß, daß Sie eben so für mich empfinden. Wir Beide können uns fest auf einander verlassen, und das ist ja die Hauptsache. Alles Uebrige ist vom Uebel.
Morgen also lesen Sie zum letztenmale und dann kommen Sie, vielleicht schon in künftiger Woche. Wie ich mich darauf freue glauben Sie nicht. Es wäre hart, wenn auch diese Freude mir zu Wasser würde.
46Sie werden die alten Freunde finden wie Sie sie verließen, übrigens aber manche Veränderung. Die Stadt ist viel stiller. Die Verlobung der Prinzessin und der Geburtstag der Großfürstin haben freilich seit einigen Tagen einen Schein von erhöhterem Leben uns gebracht; aber nun ist es auch wieder damit vorbei. Morgen ist der erste Ressourcen-Ball; ist dieser vorbei versinken wir wieder in unsern alten Krepp und in die alte Langeweile, die mir freilich nicht viel anhaben kann, wenn man mich nur mir selbst überläßt.
Ihren Brief an August habe ich gelesen und dann besorgt. Daß Sie sich die Mühe gegeben, die Erscheinung Ihres Melodramas „Faust“ gewissermaßen zu erklären, ist ein neuer Beweis Ihrer Herzensgüte. Sie hätten, nach der Art wie der alte Herr sich in der Sache benommen, es kaum nöthig gehabt. Aber der alte Herr ist achtzig Jahre alt, und da ist es kein Wunder, daß er oft kaum begreift, wie Andere sich unterstehen können auch existiren zu wollen. [ Gräf Nr. 1689: Adele, die er zuweilen zu einem Diner tête-à-tête einladet, war eben bei ihm, als ein Brief*)*) Siehe: Zelters Briefe an G. ankam, der über Ihren Faust aburtheilte. Was darin stand wollte Sie nicht beichten, doch soviel ist gewiß, daß es Ihnen schlecht ergangen ist, und daß der Alte seine Freude daran hatte. ] Also machen Sie sich 47nur darauf gefaßt, ihn, wenn Sie wieder herkommen, ein wenig unzugänglicher zu finden als früher. Er ist es überhaupt. Er fühlt, daß ihm in seinem Hause nicht wohl bereitet ist, und dinirt deshalb schon seit ein paar Monaten in seinem Zimmer ganz allein, oder mit einem einzelnen Gast, den er sich einladet. Das wird aber auch wieder anders. Er hat fast alle Winter solche Sonderbarkeiten, die, wenn die Tage länger werden und die Kälte abnimmt, ihn wieder verlassen.
Dem Herzoge werden Sie freilich einmal aufwarten müssen, das wird aber weiter keine lästigen Folgen nach sich ziehen. Er ist sehr freundlich für Sie gesinnt.
Bei unserm Theater ist es in den letzten Wochen bunt hergegangen; die Leute wußten sämmtlich nicht, wo ihnen die Köpfe standen vor Gastrollen und Anforderungen aller Art. Also zürnen Sie dem armen La Roche nicht, wenn er Ihnen noch nicht geantwortet hat. Er ist in diesem Augenblicke tief gekränkt, und nicht ohne Grund. Er giebt sich unsagliche Mühe mit dem Theaterpersonale, thut als Schauspieler was er kann (und das ist viel!), ist der Liebling des Publicums, verdient es zu sein, und dennoch hat man, hinter seinem Rücken möcht’ ich sagen, Genasts engagirt, weil der alte Genast Hummels Special ist und unser Herr Intendant seine eigenen Ursachen hat, mit Hummel, Haide und noch einer Legion Anderer es nicht zu verderben. Madame G. hat nicht gefallen. Er, 48als Sänger ebenfalls nicht; am wenigsten kann er Stromeyer ersetzen. Aber er ist ein gewandter Schauspieler. Als solcher hat er das nämliche Rollenfach, in welchem La Roche sich auszeichnet. Diese beiden Leute erhalten 2400 Thaler, was bei uns sehr viel ist; man sagt auf Lebenslang, Sie fühlen wohl, wie das La Roche wehe thun muß. Man fürchtet ihn darüber zu verlieren. Er hatte sich sehr darauf gefreut in „Minna von Barnhelm“, die seit undenklicher Zeit hier nicht gegeben wurde, den Wachtmeister zu spielen. Nun gab ihn Genast, und mit vielem Beifalle, als Gastrolle, Sie kennen das Komödiantenwesen besser als ich und werden also fühlen, wie verdrießlich das ist.
La Roche werd’ ich immer vertheidigen; ich weiß, er hat Sie lieb, und erkennt Ihr Talent, wie sich’s gehört und gebührt. Den Herrn Intendanten aber gebe ich Ihnen gern Preis, nebst Allem, was drum und dran hängt.
Nun Adieu, lieber Freund. Hoffentlich schreib’ ich Ihnen sobald nicht wieder, denn ich denke Sie kommen. Adele freut sich darauf; auch Gerstenberg, der drei Wochen recht krank war, sich jetzt aber wieder erholt. Ich bin recht begierig, wie Adele Ihnen gefallen wird, Lassen Sie sich vom ersten Anblick nicht abschrecken, denn dieser macht keinen angenehmen Eindruck. Nicht wahr, ich bin eine recht ehrliche unparteiische alte Mama?“
Gerstenberg ist Vicekanzler geworden, was dem Herrn Kanzler wohl nicht ganz recht sein mochte, aber man hat ihn durch den Geheimeraths-Titel zu beschwichtigen gesucht. J. S.