Beijlage.
(Fortsetzung meines letzten Briefes vom 21. Juny 1827 durch La Roche.)
Wohl erinnerte ich mich bey dieser Gelegenheit an den guten Organisten von Berka; denn dort war mir zuerst, bey vollkommener Gemüthsruhe und ohne äu 338ßere Zerstreuung, ein Begriff von Eurem Großmeister (Seb. Bach) geworden. Ich sprach mir’s aus: als wenn die ewige Harmonie sich mit sich selbst unterhielte, wie sich’s etwa in Gottes Busen, kurz vor der Weltschöpfung, möchte zugetragen haben. So bewegte sich’s auch in meinem Innern und es war mir als wenn ich weder Ohren, am wenigsten Augen, und weiter keine übrigen Sinne besäße noch brauchte.
Sobald die Musik den ersten kräftigen Schritt thut um nach außen zu wirken, so regt sie den uns angebornen Rhythmus gewaltig auf, Schritt und Tanz, Gesang und Jauchzen; nach und nach verläuft sie sich ins Transoxanische (vulgo Janitscharmusik) oder ins Jodeln, ins Liebelocken der Vögel.
Nun tritt aber eine höhere Cultur ein, die reine Cantilene schmeichelt und entzückt; nach und nach entwickelt sich der harmonische Chor und so strebt das entfaltete Ganze wieder nach seinem göttlichen Ursprung zurück.
Sey und bleibe gesegnet auf dem Wege den Du gehst und die Deinigen leitest.
Mit diesen allgemeinen Begriffen muß ich mich denn in der Ferne, aus Deinen alten und neuen wohlklingenden und sinnig sprechenden Mittheilungen, zwar treulich aber doch kümmerlich auferbauen.
Beloben aber muß ich vor allen Dingen Deine Verbindung mit der Blumenpracht. Es ist recht löb 339lich daß Du Dir dieses schöne Fach angeeignet hast. Dazu hilft denn nun freylich die Localität und diese wird wieder durch verständig heitern Gebrauch gehoben und das Beharrliche mit ins Leben geführt. An Gästen wird es denn auch um destoweniger fehlen.
Es ist sehr schön und löblich daß Du diejenigen die mit frohem Gefühl von mir zu Euch hinüberkommen, freundlich empfängst und jedem nach seiner Art wohlthust. Die Mitlebenden, besonders die älteren, muß man jeden in seiner Art gewähren lassen und wo man nicht fördern kann, wenigstens nicht hindern.
Daß Du auch das wandelnde Buch aufgeschlagen und Dich mit seinem Inhalte befreundet hast, war mir sehr angenehm zu hören. Ich weiß recht gut was wir ihm und andern der Art schuldig sind; nur ist es schlimm daß die Herren sogleich ein Pfaffthum errichten, und neben dem Dankenswerthen uns auch noch aufdringen wollen was sie selbst nicht wissen, vielleicht nicht einmal glauben.
Weil nun das Menschengeschlecht sich durchaus heerdenmäßig bewegt, so ziehen sie bald die Majorität hinter sich her und ein rein fortschreitender, das Problem ehrender Menschenverstand steht allein eh’ er sich’s versieht. Da ich nicht mehr streiten mag, was ich nie gern that, so vergönn’ ich mir zu spotten und 340ihre schwache Seite anzugreifen, die sie wohl selbst kennen.
Professor Fries, der in Jena den alten Newtonischen Unsinn noch immer fortlehrt, durfte in seinem Compendium nicht vom kleinen Löchlein sprechen, das habe ich ihnen denn doch verkümmert; nun spricht er von einem schmalen Streifen, das nun ganz dumm ist. Aber was ist einer Partey zu dumm, das sie nicht als Hocus-Pocus vorzubringen wagte!
Dich geht die Sache nichts an, und es sollte mir leid seyn, wenn Du Dich im mindesten darum bekümmertest; aber das darf ich Dir wohl sagen, indem ich nun bald vierzig Jahre zusehe, wie sich der mathematisch-physische Leviathan mit dem Harpun benimmt, den ich ihm in die Rippen geworfen habe.
Es ist kein Großthun, wenn ich Dir versichere daß Niemand lebt, der in diese Mysterien klar hineinsieht wie ich: wie man nämlich das Wahre mit dem Falschen fortschleppt. Jüngere Männer merken und sehen es zwar, aber sie dürfen und können sich vom Ueberlieferten nicht losmachen, weil sie ja keine Sprache hätten sich auszudrücken, und es ist naturgemäß, daß man mit falschen Worten das Wahre nicht sagen kann.
Verzeihe dieß und denke was Aehnliches dabey, das Dir in Deinem Fache auch wohl vorgekommen ist.
[ Gräf Nr. 1496: Was Du über Diction sagst, ist mir nicht unbekannt geblieben. Wenn die Menschen z. B. irgend 341ein theatralisches Gedicht loben wollen, so sagen sie: es habe eine sehr schöne Sprache; was aber eigentlich gesprochen sey, davon nimmt man selten Kenntniß. Auch bey Gelegenheit der Helena haben sich einige sonst ganz verständige Personen hauptsächlich an den drey vier neuen Worten erfreut und wahrscheinlich schon im Stillen gedacht wie sie solche auch anbringen wollten. Das alles kann einen im sechzigsten Jahre schon berühmten Schriftsteller freylich nicht anfechten; doch ist es vielleicht niemals so arg gewesen, daß man so wenig Leser und so viele Aufpasser und Aufschnapper hat, welche nach der Diction greifen, weil sie denken: wenn man nur so spräche, so sey schon was gethan, wenn man auch nichts zu sagen hat.
Ein Xenion berührt auch diese Eigenheit unsrer Tage. Leider habe ich Manches dieser Art, um des lieben Friedens willen, zurückbehalten. ] Vor einigen Tagen erging ich mich in folgenden Zeilen:
Vielleicht entschließe ich mich ein Schwänchen wahrhaften Mannscripts für Freunde zusammenzustellen, nur ist dies in den jetzigen Zeiten keineswegs zu secretiren.
Den guten Empfang meines Schottischen Wanderers erwiedere durch eine Ballade (Gutmann und Gutweib), die ich nicht rühmen darf; sie steht sehr hoch: die glücklich lebendige Verschmelzung des Epischen und Dramatischen in höchst lakonischem Vortrag ist nicht genug zu bewundern. Was mir noch weiter von dergleichen zu Theil wird, soll alsobald erfolgen. Dies sind denn doch Früchte meines Gartenaufenthalts, den ich aufgab weil Herr Graf Sternberg von Prag uns besuchte, und wohin ich bisjetzt wegen Nebelregen und daher entspringender Thalfeuchte, auch der Communications-Ungelegenheit nicht wieder an knüpfen konnte.