41217. An Sulpiz Boisserée
[ Gräf Nr. 1433: Die gute und reine Aufnahme meiner eintretenden Helena, wenn schon gehofft und vorausgesehen, war mir höchst erfreulich. Hier abermals ein Schritt weiter, und ich denke, es muß Ihnen angenehm seyn zu sehen, wie das Räthsel sich verwickelt und entwickelt, wie Ihre Vermuthungen und Ahnungen sich erfüllen oder getäuscht werden. Übrigens haben Sie ganz recht gefühlt, daß dieser Quasi-Prolog mit reiner alterthümlicher Liebe verfaßt ist. Einige Stellen in dem Schillerischen Briefwechsel zeugen, daß ich vor zwanzig Jahren, als ich wieder an dieß Geschäft ging, bedauerte, nicht zu vollkommenem tragischen Ernst den Plan angelegt zu haben. Und so möge denn das Weitere uns zu fernerer freundlicher Unterhaltung dienen. ]
An Herrn Leybold habe in gegenwärtigem Falle, wie schon früher gedacht; auch gibt ihm Herr Coudray zunächst wie Sie das beste Zeugniß; doch ist die Gefahr zu groß, weil ein Bildniß hundert und aber hundert Reden und Widerreden ausgesetzt ist. Ich habe dergleichen Bildnisse seit vielen Jahren immer mit Undank und Unwillen belohnt gesehen; auch hätten wir dießmal die Berliner Künstler, mit denen man in Verhältniß steht, und die gewiß Ansprüche machen werden, entgegenstehen und wäre so in doppelter Gefahr.
252 Indeß gebe ich nicht alle Aussicht auf und bemerke den Gang der Sache; Sie hören weiter davon.
Möchten Sie wohl nun einige Aufträge an Herrn v. Cotta übernehmen?
1) Danken Sie ihm schönstens für die übersendete zweyte Anzeige. Auch diese nimmt in Druck und Papier sich recht gut aus. Die völlige Gewißheit, daß die erste Lieferung zu Ostern hervortreten werde, ist mir zu großer Beruhigung. Freylich weiß ich recht gut, was für Anstalten und Arbeit dazu nöthig sind.
2) Die Anfrage: ob wir wohl gegen Weihnachten Kenntniß erhalten könnten, wie weit es mit der Subscription gekommen? Es müßte sich zu der Zeit doch schon etwas Bedeutendes hervorgethan haben.
[ Gräf Nr. 1433 (weiter): 3) Wäre es freundlich, wenn Herr v. Cotta mein opus supererogationis, wie ich die Helena wohl nennen darf, mit einem Dutzend Exemplaren des neuesten Faust honorirte. Ich wünschte sie auf feines Papier, ungeheftet und ungebunden. Gegen gränzenlose Gefälligkeiten von allen Seiten weiß ich kaum mit kleinen Attentionen mich dankbar zu erweisen. Ein sauber gebundenes Exemplar von Faust ist schon so eine Art von Gabe, wozu ich denn auch die neuste Ausgabe von Werther zahlreich benutze. ]
4) Anfrage: Herr v. Cotta hat doch eine Medaille erhalten? Herr Canzler v. Müller, der schönstens grüßt, hat auch diese Sendung übernommen.
5) Ist Ihnen nachstehendes Buch bekannt, das ich in einem ältern Catalog angezeigt finde: Collection des pierres antiques dont la châsse des SS. trois rois mages est enrichie dans l'église metropole à Cologne, 4°, cum fig. Ich habe zwar leidliche Schwefelabgüsse aus der letztern Zeit, doch wäre es artig, durch dieses Werk vielleicht zu erfahren, was sonst da gewesen ist.
Es ist wohl unnöthig, was mir eben zu bemerken einfällt, daß wir auf dem Titel eines jeden Bandes meiner Werke, wie schon auf der Anzeige steht, »Unter des durchlauchtigsten deutschen Bundes schützenden Privilegien« zu setzen haben.
Ich lege ein nekrologisches Druckblättchen bey, es kömmt dadurch einer der ersten schönsten Gedanken unsres Fürsten bey seinem Regierungsantritt zur Evidenz, die bedrängten Waisenkinder aus ihrem Erziehungskerker zu befreyen und sogleich mit ihrem Lebensbeginn der lebendigen Mitwelt zu übergeben. Erlauben Sie, daß ich von Zeit zu Zeit dergleichen auf unsre innern und äußern Zustände sich Beziehendes vertraulich mittheile.
Nun aber schließe ich mit den besten Grüßen und Wünschen.
treu verbunden
Weimar den 10. December 1826.
Goethe.