Bemerkung des Übersetzers.
[ Gräf Nr. 1431: Wenn uns Deutsche in jedem Fall interessiren muß zu sehen, wie ein geistreicher Franzos gelegentlich in unsere Literatur hineinblickt, so dürfen wir doch nicht allzu stolz werden über das Lob, was man uns dorther von Zeit zu Zeit ertheilen mag. Die Freiheit, ja Unbändigkeit unserer Literatur ist jenen lebhaft thätigen Männern eben willkommen, welche gegen den Classicismus noch im Streit liegen, da wir uns schon so ziemlich in dem Stande der Ausgleichung befinden und meistens wissen, was wir von allen Dichtarten aller Zeiten und Völker zu halten haben. Bewahren wir die längst errungenen Vortheile weislich im Auge, so dürfen wir uns an der Leidenschaftlichkeit unserer Nachbarn, welche mehr fordern und zugestehen als wir selbst, gar wohl ergötzen, erbauen und unsrer unbestrittenen Vorzüge genießen. Lassen wir uns ferner von den Einzelnheiten in oben genannter Zeitschrift nicht hinreißen, so ist es höchst interessant, eine Gesellschaft gebildeter, erfahrner, kluger, geschmackreicher Männer zu bemerken, denen 233 man nicht in allen Capiteln beizustimmen braucht, um von ihren Einsichten Vortheil zu ziehen: wie sich denn gegen die mitgetheilte Stelle immer noch anführen ließe, daß die griechische Mythologie als höchst gestaltet, als Verkörperung der tüchtigsten reinsten Menschheit mehr empfohlen zu werden verdiene als das häßliche Teufels- und Hexenwesen, das nur in düstern ängstlichen Zeitläufen aus verworrener Einbildungskraft sich entwickeln und in der Hefe menschlicher Natur seine Nahrung finden konnte.
Freilich muß es dem Dichter erlaubt sein, auch aus einem solchen Element Stoff zu seinen Schöpfungen zu nehmen, welches Recht er sich auf keine Weise wird verkümmern lassen. Und so haben denn auch jene freisinnigen Männer, uns zu Vortheil und Vergnügen, solchen Talenten die Bahn eröffnet, welche man sonst völlig zurückgedrängt, vielleicht vernichtet hätte. Daher fügt sich denn, daß die Stapferische Übersetzung meines Faust neu abgedruckt und, von lithographirten Blättern begleitet, nächstens erscheinen wird. Mit dieser Arbeit ist Herr Delacroix beschäftigt, ein Künstler, dem man ein entschiedenes Talent nicht abläugnet, dessen wilde Art jedoch, womit er davon Gebrauch macht, das Ungestüm seiner Conceptionen, das Getümmel seiner Compositionen, die Gewaltsamkeit der Stellungen und die Rohheit des Colorits keineswegs billigen will. Deßhalb aber ist er eben der Mann, sich in den Faust zu versenken und wahrscheinlich 234 Bilder hervorzubringen, an die niemand hätte denken können. Zwei Probedrucke liegen vor uns, die auf das Weitere begierig machen. Der eine davon stellt die auf Zauberpferden in der Nacht am Hochgericht vorbeistürmenden Gesellen dar, wo bei aller der entsetzlichen Eile Fausts ungestüme neugierige Frage und eine ruhig-abweisende Antwort des Bösen gar wohl ausgedrückt sind; der andere, wo der in Auerbachs Keller auf den Boden strömende Höllenwein flammend aufschlägt und eine sehr charakteristisch bewegte Gesellschaft von unten mit ängstlichen Lichtern und Widerscheinen sichtbar macht.
Beide Blätter sind zwar bloß flüchtige Skizzen, etwas roh behandelt, aber voll Geist, Ausdruck und auf gewaltigen Effect angelegt. Wahrscheinlich gelingen dem Künstler die übrigen wilden, ahnungsvollen und seltsamen Situationen gleichfalls, und wenn er sich dem Zartern auf irgend eine Weise zu fügen versteht, so haben wir ein wundersames, in jenes paradoxe Gedicht harmonisch eingreifendes Kunstwerk nächstens zu erwarten. ]