40/248. An Carl Wilhelm Göttling
[ Gräf Nr. 1335: Ew. Wohlgeboren überschicke gegenwärtig einen der ersten Bände, mit dem Wunsche, Sie mögen die Durchsicht desselben einigermaßen beschleunigen, indem der Termin heranrückt, wo ich das Manuscript der ersten Sendung an den Verleger abzugeben habe; ] mit den folgenden hat es alsdann keine Eile.
Die Betrachtung über die Selbstbiographie ist sehr wichtig und erfreulich. Es wäre schön zu untersuchen, ob nicht Protestanten mehr als Katholiken zu Selbstbiographieen geneigt sind. Diese haben immer einen Beichtvater zur Seite und können ihre Gebrechen hübsch einzeln los werden, ohne sich um eine fruchtbare Folge zu bekümmern; der Protestant im entgegengesetzten Falle trägt sich selbst die Fehler länger nach und ihm ist es doch um ein sittliches Resultat zu thun. Montaigne und Descartes sind mir deshalb merkwürdig: ohne selbst Protestanten zu seyn, leben sie doch in einer Epoche des vielanregenden Protestantismus. Lassen Sie uns diese Gedanken weiter verfolgen. Für bisherige Mitwirkung höchlich verpflichtet.
ergebenst
Weimar den 4. März 1826.
J. W. v. Goethe.