36/24. An Carl Gustav Carus
Ew. Wohlgebornen
Geneigtheit läßt mich hoffen, daß Sie den Überbringer dieses freundlich aufnehmen, auch meine und seine Wünsche wohlwollend erfüllen mögen.
Ein talentvoller Jüngling Friedrich Preller, Schüler des hiesigen Zeicheninstituts, welcher schon das vergangene Jahr einige Zeit in Dresden zugebracht und auf der Gallerie zwey nicht große Gemählde nach Ruysdael und Potter copirt hat, zieht jetzt wieder dahin, um das Studium der Landschaftsmahlerey weiter fortzusetzen, und ich nehme mir die Freyheit denselben Ew. Wohlgeboren zu empfehlen, damit er seine Absicht desto sicherer erreiche. Er hat sich durch Fleiß und natürlich gute Anlage bereits eine hübsche Fertigkeit im Zeichnen und Mahlen erworben, und so möchte es angemessen für ihn seyn, sich nun den künftigen Sommer an irgend einem bedeutenden Bilde zu versuchen. Ruysdael oder N. Berghem scheinen mir diejenigen Meister, welche der Neigung unseres jungen Künstlers am besten zusagen und an denen sich auch sein Talent am fördersamsten entwicklen dürfte; Ruysdael wegen dem Gehalt und der Anmuth seiner Erfindung, schöner Wirkung und Übereinstimmung des Ganzen, Berghem vorzüglich wegen dem vortrefflichen Vieh, womit er zu staffiren pflegt, wegen der Heiterkeit in den Farbentönen, und weil sich auch in seinen Entwürfen zuweilen eine poetische Großartigkeit findet.
Zwar wollt ich überhaupt weder wegen der Wahl eines Gemähldes etwas bestimmen, noch den Meister ausschließlich nennen, an den sich Preller halten soll, man wird sich in beiden nach den obwaltenden Umständen richten müssen; aber ich wollte Ew. Wohlgeboren freundlichst ersuchen, besagtem jungen Menschen mit Ihrem Rath und Ihrer Kunsterfahrenheit bey der Wahl eines zu copirenden Gemähldes an die Hand zu gehen, wie auch denselben auf der Gallerie durch Ihre vielgeltende Fürsprache zu begünstigen.
[ Gräf Nr. 1238: Der ich in Hoffnung, daß sowohl Gemählde als Manuscript glücklich angekommen, mich bestens empfehle ] und mit aufrichtiger Hochachtung unterzeichne
ergebenst
Weimar den 25. April 1822.
J. W. v. Goethe.