22/6141. An Carl Friedrich von Reinhard
Weimar den 8. May 1811.
Die schöne und geschickte Harfenspielerinn hat auch bey uns viel Sensation gemacht und ist von mir um Ihres Briefs willen, mein verehrter Freund, wohl aufgenommen und mit einem ähnlichen Empfehlungsschreiben nach Leipzig verabschiedet worden. Gegenwärtig ist ein interessanter junger Mann bey uns, dessen Bekanntschaft ich Ihnen gleichfalls verdanke, Sulpiz Boisserée, der mir sehr wohl gefällt und mit dem ich auch ganz gut zurecht komme.
Denn ein bedeutendes Individuum weiß uns immer für sich einzunehmen, und wenn wir seine Vorzüge anerkennen, so lassen wir das, was wir an ihm problematisch finden, auf sich beruhen; ja was uns an 84 Gesinnungen und Meynungen desselben nicht ganz gemäß ist, ist uns wenigstens nicht zuwider: denn jeder Einzelne muß ja in seiner Eigenthümlichkeit betrachtet werden und man hat neben seinem Naturell auch noch seine frühern Umgebungen, seine Bildungsgelegenheiten und die Stufen auf denen er gegenwärtig steht, in Anschlag zu bringen. So geht es mir mit diesem, und ich denke, wir wollen in Frieden scheiden.
Überhaupt, wenn man mit der Welt nicht ganz fremd werden will, so muß man die jungen Leute gelten lassen für das was sie sind, und muß es wenigstens mit einigen halten, damit man erfahre was die übrigen treiben. [ Gräf Nr. 1124: Boisserée hat mir ein halb Dutzend Federzeichnungen von einem jungen Mann Namens Cornelius, der sonst in Düsseldorf lebte, und sich jetzt in Frankfurt aufhält, und mit dem ich früher durch unsere Ausstellungen bekannt geworden, mitgebracht, die wirklich verwundersam sind. Es sind Scenen nach meinem Faust gebildet. Nun hat sich dieser junge Mann ganz in die alte deutsche Art und Weise vertieft, die denn zu den Faustischen Zuständen ganz gut passt, und hat sehr geistreiche gutgedachte, ja oft unübertrefflich glückliche Einfälle zu Tage gefördert, und es ist sehr wahrscheinlich, daß er es noch weiter bringen wird, wenn er nur erst die Stufen gewahr werden kann, die noch über ihm liegen. ]
Ich bin nun auf meiner Reise nach Carlsbad begriffen, so darf ich wohl sagen, ich werde in etwa 85 8 Tagen von hier abgehen. Dort habe ich mir vorgenommen allerley wunderliche Dinge zu arbeiten, von denen ich zum voraus nichts erwähnen darf: denn gewöhnlich, was ich ausspreche das thue ich nicht, und was ich verspreche das halte ich nicht.
Auf alle Fälle denke ich aber dießmal früher wieder zurück zu seyn, ob ich gleich auch einigen Aufenthalt in Töplitz machen werde. Die Confusion mit den Bankzetteln und dem Gelde ist indessen gegenwärtig im Östreichischen so groß, daß ein Aufenthalt in Böhmen dießmal unangenehm werden kann. Seitdem man einen niedern Preis der Papiere festgesetzt hat; so glauben die Leute, diese stünden viel niedriger als zu der Zeit, da sie ums Doppelte niedriger standen. Dieß ist freylich kein Wunder, da im gemeinen Leben diese Geldsache durchaus vom Vorurtheil abhängt. Nur die Handelsleute, besonders die Banquiers wissen, was sie wollen, und werden reich dadurch, wenn auch gleich manche durch falsche Speculationen zu Grunde gehen.
Daß der Stein des Herrn von Jakowleff sich wiedergefunden hat ist mir sehr angenehm. Es war ein Kleinod, welches Oeser lange besaß. Durch diesen ist es an die Herzoginn Amalie gekommen, welche aber immer zauderte, einen oder mehrere Cameen daraus arbeiten zu lassen. Aus ihren Händen kam er in die meinen; auch ich verwahrte ihn lange, bis ich mich endlich entschloß ihn einem Liebhaber abzugeben, dem es eine Freude macht, auf solche Dinge ansehnliche Summen zu wenden.
Mehr will ich für dießmal nicht sagen und mich nur noch angelegentlich in Ihr freundschaftliches Andenken empfehlen.